Montag, 20. Juli 2015

Durch grünes Land

Unsere letzte Zeit war im Wesentlichen dadurch geprägt, dass wir nach so viel Abenteuer, Erlebnissen und Sehenswürdigkeiten im Iran lieber einen Gang runter schalten wollten. Eh dieses richtige Urlaubsgefühl eintrat, sollte es aber noch einen Moment dauern. Am Van-See verbrachten wir die Zeit noch im Wesentlichen damit, Auto-Inneres und Wäsche zu reinigen, sowie diverse Schriftstücke anzufertigen (zum Beispiel für die hier vorliegende Seite). Ein Restaurant hatte dort eine Kiesfläche als Campingplatz deklariert und so blieben wir drei Nächte an der Stelle. Wir genossen die wunderbaren Tage, mit ihrem milden Wetter, dem leichten Wind und der relativen Ruhe und Beschaulichkeit. Die Abende waren jedoch eher davon geprägt, Schutz im Mobil zu suchen: dichte Schwärme irgendwelcher Fliegen begaben sich an das großzügig beleuchtete Ufer und unterbanden so jeglichen Aufenthalt im Freien, da zu befürchten war, mit jedem Atemzug nebst frischer Luft auch mehrere Gramm Fliegen einzuatmen. So fuhr dann auch folgerichtig jeden Abend ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung mit seinem Pick-Up über den Strand, auf dessen Ladefläche so eine Art Dampfmaschine installiert war. Durch seine Runden am Wasser entlang wurde ein Großteil des Ufers in einen insektiziden Nebel gehüllt, wohl mit dem Ziele den Insektenschwärmen Herr zu werden.  Auch der Kellner des Restaurants machte am Morgen mit einer transportablen Variante dieser Nebelmaschine seine Runden. Der Erfolg schien uns immer noch eher gelinde, aber es sah auf jeden Fall aus, wie eine Szene aus einem Science-Fiction-Film. Das muss doch auch etwas wert sein.

Ausblick auf den Van-See

Im Anschluss an unseren Aufenthalt am Van-See zog es uns erneut in Richtung der iranischen Grenze und zum Ararat. In dem Grenzort Doğubeyazıt bewunderten wir den İshak Paşa Sarayı. Das ist eine mittelalterliche Burganlage, schlicht in der Farbgebung, überreich in der Gestaltung. Beim Erkunden der Burg, mit ihrem Verlies, der Küche, Moschee, Harem, Empfangshallen etc. konnte man sich ganz gut vorstellen, wie es wohl damals war an diesem Ort zu leben. Beinahe hätte sich unsere Zweier-Reisegemeinschaft noch erweitert, da auf dem Zeltplatz auch eine Hundefamilie ansässig war, die gerade Zuwachs von drei ganz kleinen, flauschigen Welpen erhalten hatte, welche Sandra am liebsten sofort adoptiert hätte. Den Ararat gab es übrigens nur einmal ganz kurz zu sehen, bevor er sich wieder hinter den wunderbar kühlenden Gewitterwolken versteckte.

Die Ebene von Doğubayazit 

Das İshak Paşa Sarayı

Im İshak Paşa Sarayı

Im Folgenden wollten wir nun endlich zur Entspannung, für uns in Form des Schwarzen Meeres, finden. Bevor es jedoch so weit war, mussten wir noch eine Menge Auto fahren. Zunächst führte unser Weg uns noch nach Erzurum. Die Stadt, noch tief in Ostanatolien gelegen, konnte durch ihre hübschen, im seldschukischen Stil gebauten Koranschulen und ihrer mittäglichen Entspanntheit überzeugen. Von der Zitadelle, die hoch über der Stadt thronte, bekamen wir einen wunderbaren Rundumblick über die umgebende Ebene und die schneebedeckten Gipfel am Horizont. Im örtlichen ethnographischen Museum erhielten wir einen kleinen Einblick in traditionell anatolische Kleidung, Schmuck, Handwerk und Haushalt.

Grabtürme in Erzurum

Die Yakutiye Medresesi

In der Zitadelle

Nennt man das ein Kugellager? (Zitadelle)

Das Schuheputzen - nur beim Profi

Überhaupt, gefiel uns das anatolische Hochland sehr. Es war geprägt durch schöne Berglandschaften und weite Täler. Und im großen Kontrast zum Iran auch durch großen Wasserreichtum und dementsprechend grüne Landschaften. Diese gewährleisteten, dass nicht jeder fruchtbare Flecken, mit Feldern, Plantagen oder Siedlungen besetzt war, wie es im vorherigen Land  üblich war. So konnten wir drei Nächte hintereinander ungestört und dennoch an wunderschönen Orten wild campen. Eine Möglichkeit, die in den zwei Monaten Iran praktisch nie bestand.
Unsere Cloud Machine muteten wir auf unserer bisherigen Tour auch Einiges zu. Obwohl wir bereits 20000 km gefahren waren, waren wir immer noch einen Ölwechsel und die Pflege des Dieselfilters schuldig. Also suchten wir auf unserer Strecke zum Schwarzen Meer eine der zahlreichen Werkstätten auf, die enorm freundlich, schnell und günstig den Ölwechsel durchführten, sowie Öl-, Diesel- und Luftfilter tauschten. Das alles im Tausch gegen knapp 200 Lira, also 60 €. Wir fuhren noch ein kleines Stück weiter, um an einer Tankstelle, die dringend benötigte Autowäsche durchzuführen. Als wir wieder starten wollten, entschied sich das Auto dies nur mit sehr begrenzter Leistung zu tun. Der Motor stotterte, hustete und prustete und das Mobil ließ sich lediglich auf flotte Schrittgeschwindigkeit beschleunigen. Nach dem Öffnen der Motorhaube mussten wir schnell feststellen, dass es fleißig aus dem gerade frisch eingebauten Dieselfilter tropfte und bei noch genauerer Inspektion hatten wir auf einmal einen gebrochenen Dichtungsring in der Hand.
Bei den Tankstellenwärtern wollten wir uns eigentlich nur kurz nach der nächsten Werkstatt erkundigen. Sie ließen es sich aber nicht nehmen kurz nachzuschauen, was das Problem sei und es wurde eilig telefoniert und sie gaben uns irgendwie zu verstehen, dass ein KFZ-Rettungswagen auf dem Weg sei. Dieser traf kurze Zeit später ein und ohne viel Worte gingen die beiden Mechaniker schnell zu Werke und ruck zuck lag der eigentlich noch ganz frische Dieslfilter auf dem Fußboden und ein neuer wurde eingebaut. Zwar ein etwas zu überambitioniertes Vorgehen, aber aufgrund der Sprachbarriere war es schwierig den Herren dies klarzumachen. Da sie jedoch auch den Dichtungsring mit austauschten, war das Problem nun gelöst und wir konnten für weitere 30 Euro mit einem bis heute einwandfrei fahrendem Auto unseren Weg fortsetzen.
Dieser führte uns dann ans Schwarze Meer, zunächst nach Samsun. Wir suchten den gleichen Zeltplatz auf, den wir schon im Winter nutzten. Allerdings war er trotz Sommer nicht schöner geworden. Er lag immer noch an der Stadtautobahn und an einem Hafenbecken, das nun in der warmen Zeit jedoch auch noch einen klärigen Duft verströmte.
Diesmal waren wir aber nicht allein, sondern teilten uns den Platz mit einigen Türken aus Deutschland auf Heimaturlaub und einem jungen Mann, der Deutschland verlassen hat um wieder dauerhaft in der Türkei zu leben. Er erklärte uns, dass er in Deutschland wenig Perspektiven sah. Trotz langjähriger Berufserfahrung habe er immer noch den Eindruck, dass in den Personalabteilungen im Zweifel lieber auf den etwas schlechter qualifizierten „Bernd“ zurückgegriffen wird als auf alle „Alis“, „Mohammeds“ oder „Murrats“, die ihre Bewerbungsunterlagen einreichen. In der Türkei kann er, so wie viele seiner Freunde und Familienmitglieder, die zuvor in Deutschland lebten,stattdessen entspannt in der Türkei arbeiten, der Verdienst sei  in Ordnung und das Wetter ist auch besser.
Das gibt einem schon etwas zu denken, dass wir als deutsches Volk es nie so richtig geschafft haben uns von den alten Ressentiments zu befreien und dafür nun Landsleute lieber in ihrer ursprünglichen Heimat leben, als mit uns.
Am Folgetag erreichten wir schlussendlich Sinop, fanden dort einen feinen Zeltplatz und dann begann der Urlaub. Nach drei Tagen Lesen, Baden, Seele-baumeln-lassen, fuhren wir immer noch geprägt von diesem Geist weiter die Schwarzmeerküste entlang. Zunächst bewunderten wir noch ein paar Wasserfälle in der Nähe von Sinop und folgten dann die Küstenstraße. Diese entpuppte sich zwar als stetige Berg- und Teilfahrt und war durch ihre Enge auch nicht immer entspannt zu fahren, aber dafür sind an der Schwarzmeerküste in engen Abständen Campingplätze zu finden, so dass wir die Strecke in überschaubare Portionen aufteilen konnten. 

Die Blaue Lagune an den Erfelek-Wasserfällen, Brooke Shields nicht im Bild

Schwarzmeerküste

"Badestrand" in Akçakoca

Letztendlich landeten wir wieder in Istanbul und saugten noch einmal das besondere Flair der Stadt auf. Außerdem besuchten wir gemeinsam mit ungefähr 50 Millionen anderen Touristen wieder die unfassbar schöne Blaue Moschee und erkundeten drei Stunden lang den beeindruckenden Topkapı-Palast. 


Gartenhäuschen im Tokapi-Palast

Im Harem des Palastes

Auf dem Weg nach Bulgarien hielten wir noch kurz in Edirne, um unseren Wagen mit feinsten türkischen Waren zu füllen. Auf dem Weg zur Grenze kamen uns bereits Heerscharen an Fahrzeugen mit Dachbox entgegen, die laut Nummernschild Deutschland, Holland oder Belgien entstammten und anscheinend allesamt mit Leuten auf Heimatbesuch gefüllt waren. Da waren wir froh in die entgegengesetzte Richtung unterwegs zu sein, da so die Schlange an der Grenze lediglich aus fünf Autos bestand, nicht aus 200, wie auf der Gegenseite. Der Grenzübertritt erfolgte erschreckend unkompliziert. Wir mussten weder endlos lange warten noch überhaupt das Auto verlassen. Ein Grenzbeamter vergewisserte sich nur, dass wir auch wirklich nur zu zweit waren. Für den Schengenraum sicher gängige Praxis, aber nach unseren Grenzerfahrungen der letzten Monate ein positiver Kulturschock.

Edirne


In Bulgarien angekommen verweilten wir erstmal zwei Tage in Grenznähe. Der dortige Campingwärter, erklärte uns die Vorteile dessen, als Engländer, wie er es ist, in Bulgarien eine Heimat zu finden. Billig, entspannt, gutes Wetter – um es kurz zusammen zu fassen. Wie es ist, in Bulgarien einen Campingplatz zu führen – einfach, weil das Land touristisch kaum erschlossen ist, so dass man schon mit einfachsten Mitteln einen Wettbewerbsvorteil erhält und den Tourismus noch regelrecht prägen kann. Als er sich gerade dazu aufschwang, darzulegen, warum es nur vorteilhaft sein kann, sich aus dem mitteleuropäischen Wettlauf, den wir Arbeitsleben nennen, auszuklinken und stattdessen zu Reisen oder entspannt im Ausland zu leben, musste das Gespräch dann jedoch ein Ende finden, da wir uns vorgenommen hatten an dem Tag noch die Stadt Plovdiv anzuschauen.

Wir erkundeten in dieser hübschen Stadt die engen Gassen, die Antiquitätenläden, das römische Amphitheater und genossen es, uns ohne schlechtes Gewissen mitten am Tag in ein Restaurant setzen zu können, da ja in Bulgarien für die Mehrheit der Menschen der Ramadan nichts bedeutet. Am Abend fuhren wir zum Batak-See, wo uns ein weiterer schöner Campingplatz in wundervoll ruhiger Umgebung erwarten sollte, an dem wir gerne drei Tage verweilten. Von dort aus ging es weiter zum Rila Kloster, welches wunderhübsch im gleichnamigen Gebirge gelegen ist. Wir bewunderten die sehr schöne Anlage, die enorm farbenfroh und flächendeckend bemalte Kirche, das niedliche Museum über das Handwerk im Kloster und nutzten die herrlich waldige Umgebung, um kleine Spaziergänge, wie zum Beispiel zum Grab des Heiligen Rila, zu unternehmen.
Das Amphitheater in Plovdiv

Der Campingplatz am Batak-See


Rila-Kloster

Fröhliche Fassadengestaltung an der Klosterkirche

"Ein Happs für Mama ..."

Nach dem Rila-Gebirge ging es weiter in die Hauptstadt Bulgariens, die zwar wenig mit den großen europäischen Metropolen gemein hat und ein eigenes schönes Flair verströmt, dass bis auf einige sehr abstrakte kommunistische Kunstwerke sogar sehr wenig an die Sowjetunion erinnert. Stattdessen gibt es von innen reich bemalte Kirchen, alte Gründerzeitvillen, eine gemütliche Einkaufstraße und ein paar kreative Bewohner, die das Stadtbild noch verschönern.

Neben einigen Kirchen, die während der 500jährigen Besatzung durch die Ottomanen fast alle als Moscheen fungierten, besuchen wir auch das nationale Historische Museum. Hier ging es um die Stein- und Bronzezeit, die Hochkultur der Thraker, die Unterdrückung der bulgarisch-orthodoxen Kirche durch die Ottomanen und die Aufrechterhaltung des Glaubens trotz der Besatzungsmacht, um bulgarische Trachten und die etwas neuere Geschichte. In der Zeit der beiden Weltkriege wurde das Land von einer Zarenfamilie beherrscht. Im 2. Weltkrieg arbeitete der Zar zunächst mit Hitler zusammen, verweigerte aber unter Anderem die Auslieferung der in Bulgarien lebenden Juden. Ein weiterer interessanter Fakt: Sein Sohn, der letzte bulgarische Zar musste das erste Mal während des Krieges flüchten und wurde später von den Kommunisten ins Exil geschickt. Die beiden Länder, die er aufgrund von Krieg und politischer Verfolgung zunächst aufsuchte: Syrien und Ägypten. Aber einen ehemaligen Zaren würden wir vielleicht auch aufnehmen!

Die Aleksander-Nevski-Kirche

Laut Reiseführer das "Party House"

Wachen vorm Präsidentenpalast

Ein indisches Filmteam empfand den Vorplatz der Nevski-Kirche als den schönsten Ort, um ein Greenscreen aufzubauen

Das "Monument des Bulgarischen Staates", laut Reiseführer ein "eyesore" (engl.: Augenschmerz)