Wir haben nun mehrere Monate nicht mehr gebloggt, uns nicht mehr gesammelt, um das Geschehene nieder zu schreiben. Obwohl auch das ganz normale Leben immer wieder erinnerungswürdige Momente kreiert. Stattdessen haben wir uns zurück in unser altes Leben fallen lassen, welches sicher jetzt auch neu und anders, aber auch irgendwie wie vor der Reise ist. Überraschend schnell haben wir uns wieder an das warme Wasser aus der Wand gewöhnt, an die Sitztoiletten, an den Strom, der 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche Kühlschrank und Lampen betreibt, unabhängig davon, wie stark die Sonne gerade scheint oder wie viele Kilometer man an dem Tag schon gefahren ist. Das Fahrradfahren haben wir nicht verlernt, genauso wenig wie das Einkaufen in großen Supermärkten oder das nach Hause kommen an den immer gleichen Ort. Jeden Tag. All diese Alltäglichkeiten, die wir für sieben Monate abgestreift hatten, haben wir uns ohne große Anstrengungen wieder übergezogen. Ohne, dass es uns wirklich auffiel. Ohne, dass wir viel darüber nachdenken mussten. In den drei Monaten, die wir mittlerweile wieder in der Heimat sind, ist soviel passiert, dass erst jetzt manchmal Luft für Erinnerungen ist. Sie kommen wie aufblitzende Bilder. Orte, die man seit Wochen vergessen hatte, werden noch einmal neu bereist. Und vieles bleibt unwirklich. Wie ein Film, den man mal gesehen hat, oder ein Foto.
Die Zeit wird hoffentlich viele Erinnerungen zurückbringen. Und neue erfinden. Wie z.B. an unsere erste gemeinsame Wohnung mit mehr als 12 qm, vier Herdplatten, einem geradezu überdimensionalen Kleiderschrank, einer ständig zur Verfügung stehenden Waschmaschine und dem ersten Babybett.
Aber vorher möchten wir uns dann jetzt doch mal die Zeit nehmen, noch ein wenig in der Vergangenheit zu schwelgen und von den letzten Wochen unserer Reise berichten:
In Belogratchik machten wir unseren letzten Stop in Bulgarien und verbrachten zwei ruhige Tage mit Wäschewaschen und viel Sonne auf einem kleinen Campingplatz. Die Akklimatisierung an das europäische Leben und die westeuropäischen Touristen setzte sich fort. Der nord-westliche Zipfel Bulgariens war vor allem von weichen Hügellandschaften und Feldern geprägt und beeindruckte uns mit seinen alten Bauernhäuschen und der sanften Natur. Der Grenzübertritt nach Serbien gestaltete sich komplikationslos und in Jagodina fanden wir für zwei Tage ein Ökocamp. Mittlerweile hatte auch uns die europäische Hitzewelle eingeholt und wir waren immer wieder versucht, uns so wenig wie möglich zu bewegen. Die brütende Sommerhitze sollte uns auch noch weit bis nach der Heimkehr nach Deutschland verfolgen. Aber natürlich konnte uns auch das gut funktionierende Internet nicht zwei Tage lang befriedigen und so machten wir uns unter Anderem zum Museum für Naive Kunst auf. Selbiges zu finden, setze uns vor gewisse Schwierigkeiten. Jedoch haben wir die Hilfsbereitschaft und -möglichkeit der Jagodinaer unterschätzt. Ein ziemlich abgeranzt aussehender, zahnloser Taxi-Fahrer, der biertrinkend im Schatten saß, konnte uns zu unserer Überraschung in flüssigem Englisch den Weg weisen, nicht ohne die Bedeutung des Museums für die internationale Naive Kunst zu erläutern. Wie oft einem so etwas wohl in Magdeburg passieren würde? Außerdem betrachteten wir die örtlichen Wasserspiele und die Kirche und genossen die serbische Küche. (Viel Fleisch mit ein bisschen Salat, welcher von viel Käse überdeckt wird).
Mit der Zeltplatzbesitzerin sprachen wir unter Anderem über den korrupten
Bürgermeister Jagodinas und sein Springbrunnenprestige-Projekt, als
auch über die Architektur in Belgrad.
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Der große Springbrunnen von Jagodina |
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Eine weitere Attraktion: Ein Pommes-Automat |
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Auch Jagodina hat seine sehenswerte Kirche |
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Das Museum für Naive Kunst |
Von Jagodina ging es weiter nach Vinča, wo wir seit Budapest unseren ersten unverstellten Blick auf die Donau genießen konnten, die hier noch um einiges größer und anmutiger dahin floss. In Vinča entdeckte man bei Ausgrabungen eine der ältesten städtischen Siedlungen Europas, deren Überreste in einem winzigen Museum ausgestellt werden.
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In Vinča |
Nach einigen Kilometern entlang der Donau brach Belgrad jung und modern über uns herein. Die Straßen voller Studenten und Touristen, die Einkaufsmeile voller Cafés, an den Uferpromenaden hunderte schwimmender Hausboot-Bars und Discotheken. Im Zentrum kaum eine Ecke, aus der noch das Gefühl von Jugoslawien quillt. Stattdessen gab es sehenswerte Ziele, wie einige der vielen Kirchen und Kathedralen. Da wäre erstens zu nennen, die Sveti Sava-Kirche. Das ist mit die größte orthodoxe Kirche der Welt, die mit einer gewaltigen Kuppel imponieren konnte. Im Kellergewölbe der Kirche konnten wir uns in einer temporären Ausstellung über das Leben das Romanovs bilden. Zumindest wenn wir russisch gekonnt hätten. Außerdem gab es die Festungsruine über der Donau zu sehen, die auf der Touristenkarte als "Leisure-Zones" markierten hübschen Kneipenviertel und das Nicola-Tesla-Museum, welches uns durch eine gute Führung und ordentlich erklärte Exponate, diesen Ausnahmewisschenschaftler und sein Schaffen näher bringen konnte. Wir genossen die zwei Tage in der Stadt sehr, obwohl wir dem Nachtleben, für das Belgrad international bekannt ist, aus dem Weg gingen...
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Blick auf Belgrad, wo die Save in die Donau mündet |
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In der Festungsanlage Kalemegdan |
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Kirche der Heiligen Mutter Gottes |
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Im Zentrum, da dies eine Fußgängerzone ist, müssen auch alle Autos zu Fuß gehen |
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Die Markuskirche |
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Dachgepäckträger-Technik aus der Zukunft |
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Die Sveti Sava - größte Kuppelkirche der Welt |
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Zar Nikolaus und Zar Fabian (v.l.n.r.) |
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Dem Tesla sein Museum |
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Lebensgefährliche Experimente mit Besuchern der Tesla-Museums |
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Statue |
Unser nächstes Ziel war das - für einen Film von Emir Kusturica extra
aufgebaute - "Küstendorf"-Drvengrad bei Mokra Gora. Kusturica hat u.a.
"Schwarze Katze, weißer Kater" gedreht. Für seinen Film "Das Leben ist
ein Wunder" wurde kurz vor der bosnischen Grenze ein Dorf aus
traditionellen Holzhäusern erbaut, welches heute als Museum und Hotel
dient.
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Auf dem Marktplatz von Drvengrad |
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Nach einem Auffahrunfall zweier Trabants |
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Das Küstendorf |
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Auch Herr Dostojewski wurde verewigt |
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KUNST! |
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Am pittoresken Bahnhof |
Von Mokra Gora ging es weiter nach Bosnien-Herzogowina, das
Land in dem man mit der konvertiblen Mark bezahlt, die im festen
Wechselkurs zum Euro immer und fast überall 2 zu1 getauscht werden kann,
sodass sich selbst die Einheimischen manchmal wundern, wenn man in
ihrer eigenen Währung bezahlen will.
Der Grenzübertritt verlief
reibungslos, aber auf serbischer Seite wurden tatsächlich unsere losen Zettelchen kontrolliert, die wir für jede Übernachtung auf
den Zeltplätzen gesammelt hatten. (In Serbien besteht polizeiliche
Meldepflicht, sobald man sich länger als einen Tag am selben Ort
aufhält. In Bosnien zwar auch, aber da interessierten sich weder die
Zeltplatzwärter noch die Grenzkontrolleure für diese Formalität!)
Da
wir auch von Bosnien wenig Vorstellung hatten, überraschten uns die
tiefen, weißen Felsschluchten entlang blau-grüner Flüsse und Seen, denen
wir lange auf der Straße folgten, bis wir an dem Fluss Drina einen
Campingplatz fanden, an dem wir mehrere Tage entspannen konnten, bevor
wir uns zur nächsten Hauptstadtbesichtigung aufmachten.
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Die Drina |
Sarajevo
wirkte im Vergleich zu anderen, kürzlich gesehenen Hauptstädten, winzig und provinziell, obwohl hier schon so viel
Geschichte geschrieben wurde. Bosnien-Herzogowina ist nach der
Herrschaft der Ottomanen bis heute sehr muslimisch geprägt. Es gibt
neben den Kirchen auch viele Moscheen und das Stadtzentrum erinnert mit
den Basaren an eine Miniaturvariante von Istanbul. Hier "begann" der 1.
Weltkrieg mit dem Attentat auf Erzherzog Franz Ferdinand und der Bosnienkrieg zeichnet die Stadt bis
heute. Sarajevo liegt denkbar ungünstig in einem Talkessel und wurde
von 1992 bis ´95 von serbischen Truppen belagert. Viele der Häuser
tragen noch die Einschusslöcher und auch der schmale Tunnel, den die
Bewohner unter dem, von der UN gesicherten, Flughafengelände gegraben
hatten, um die Stadt sicher verlassen zu können, ist noch in Teilen
erhalten. Bis heute gibt es in Bosnien noch Minenfelder, die nur mit
Schildern markiert, aber nicht entschärft worden sind. Und das
historische Museum in Sarajevo erzählt nur von Krieg und
Verbrechertribunalen.
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Immer wieder gibt es Häuser zu sehen, die noch voller Einschlusslöcher sind |
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Am anderen Ende dieser Brücke wurde einst ein gewisser Franz Ferdinand erschossen |
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Muslimischer Friedhof in Sarajevo |
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Geschmackvolle Souvenirs in Sarajevo |
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In der Altstadt von Sarajevo |
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Das Tunnelmuseum |
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Die darauffolgenden Tage verbrachten wir am
See Jezero, der weniger von der Geschichte, dafür aber sehr von der
Bevölkerungsstruktur der bosnischen Gesellschaft geprägt wurde. Während einerseits einige Frauen im Bikini in der Sonne lagen, schlenderten direkt daneben Frauen am Ufer entlang, welche bis auf einen Sehschlitz komplett verhüllt waren (= sog. Niqab). Ein Kontrast, den wir auf unserer gesamten Reise noch
nicht so deutlich vor Augen hatten. Der See war aber am Ende für alle
ein kleines Urlaubsparadies und auch wir genossen das klare Wasser und
das sommerliche Wetter.
Als letztes Ziel in Bosnien nahmen wir uns
Mostar vor, doch wir schafften es bloß bis auf den Zeltplatz in
einem Nachbarort. Zunächst können wir uns am Abend noch ein Derwischkloster anschauen. Doch den gesamten darauffolgenden Tag verbrachten wir im
Schatten der Cloud Machine, Fabi lesend und ich mit Magen-Darm-Infekt,
der mich zum beliebten Gast auf der einen Frauentoilette des Zeltplatzes
machte. Nach einem Tag war es alles wieder vorbei, aber wir mussten
leider schon weiter. Fabis Geburtstag stand kurz bevor und den wollten
wir in Serbien beim Guca-Festival begehen.
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Ein kleines Paradies: Boracko Jezero |
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Es war heiß in Mostar |
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Blagaj Tekke, das Derwisch-Kloster |
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Vertrauenerweckende Stellfläche |
Also ging es wieder
zurück ins Nachbarland Serbien, teilweise noch etwas schwach auf den Beinen. Der
Grenzer war diesmal zu Späßen aufgelegt, als er hörte, wo wir hin
wollen, ist seine nächste logische Frage natürlich: "Do you have any drugs?" Und als wir verneinen, geht es weiter: "Are you sure?" Mit dem
Unterton: Was wollt ihr in Guca ohne Drogen? Aber er lässt uns ohne
weitere Kontrolle ziehen.
Das Guca-Festival hat es
mitlerweile auch zu internationaler Bekanntheit gebracht. Ursprünglich mal als simples Kräftemessen der lokalen Bläsergruppen konzipiert, feiert nun das ganze Dorf eine Woche lang den Exzess mit krachend lauter Balkan-Musik an allen Ecken, Bühnen, Discos,
traditionellen Kostümen, Alkohol und viel zu viel Grillfleisch. Für meinen Magen
waren die allgegenwärtigen Schweinehälften noch nicht der erfreulichste
Anblick, aber die Musik konnte auch mich schon wieder begeistern. Für ein
paar Dinar wurden von den umherziehenden Kapellen auf der Straße und an den
Kneipen immer wieder Ständchen gespielt. Gerne auch so, dass sich zwei
oder drei Bands mit einem der ebenfalls anwesenden DJs angenehm
überlagertenn. Am nächsten Morgen ging die Party direkt weiter, als ein
ganzer Familien-Clan mit Kapelle offenbar hochzeitsfeiernderweise an unserem Bus vorbeizog...
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Ein kleines Ständchen |
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Nachts in Guca |
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Morgens in Guca |
Langsam
drückte aber das Heimweh und wir brachen trotz spannendem Festival noch
am selben Tag Richtung Heimat auf. Am ersten Tag fuhren wir bloß bis
nach Belgrad, wo wir das erste mal seit langem ins Kino gingen und uns
Mission Impossible 5 auf Englisch mit serbischen Untertiteln ansahen und uns außerdem noch einmal dem abendlichen Flair der schönen Stadt hingaben.
Am Folgetag ging es durch Serbien und fast ganz Ungarn bis nach Mosonmagyarovar, Und am darauffolgenden Abend rollten wir bereits in Dresden bei Fabis Eltern ein.
Dort endete wohl dieses Abenteuer...
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Heimkehr |