Samstag, 14. November 2015

Ankommen

Wir haben nun mehrere Monate nicht mehr  gebloggt, uns nicht mehr gesammelt, um das Geschehene nieder zu schreiben. Obwohl auch das ganz normale Leben immer wieder erinnerungswürdige Momente kreiert. Stattdessen haben wir uns zurück in unser altes Leben fallen lassen, welches sicher jetzt auch neu und anders, aber auch irgendwie wie vor der Reise ist. Überraschend schnell haben wir uns wieder an das warme Wasser aus der Wand gewöhnt, an die Sitztoiletten, an den Strom, der 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche Kühlschrank und Lampen betreibt, unabhängig davon, wie stark die Sonne gerade scheint oder wie viele Kilometer man an dem Tag schon gefahren ist. Das Fahrradfahren haben wir nicht verlernt, genauso wenig wie das Einkaufen in großen Supermärkten oder das nach Hause kommen an den immer gleichen Ort. Jeden Tag. All diese Alltäglichkeiten, die wir für sieben Monate abgestreift hatten, haben wir uns ohne große Anstrengungen wieder übergezogen. Ohne, dass es uns wirklich auffiel. Ohne, dass wir viel darüber nachdenken mussten. In den drei Monaten, die wir mittlerweile wieder in der Heimat sind, ist soviel passiert, dass erst jetzt manchmal Luft für Erinnerungen ist. Sie kommen wie aufblitzende Bilder. Orte, die man seit Wochen vergessen hatte, werden noch einmal neu bereist. Und vieles bleibt unwirklich. Wie ein Film, den man mal gesehen hat, oder ein Foto.

Die Zeit wird hoffentlich viele Erinnerungen zurückbringen. Und neue erfinden. Wie z.B. an unsere erste gemeinsame Wohnung mit mehr als 12 qm, vier Herdplatten, einem geradezu überdimensionalen Kleiderschrank, einer ständig zur Verfügung stehenden Waschmaschine und dem ersten Babybett.

Aber vorher möchten wir uns dann jetzt doch mal die Zeit nehmen, noch ein wenig in der Vergangenheit zu schwelgen und von den letzten Wochen unserer Reise berichten:

In Belogratchik machten wir unseren letzten Stop in Bulgarien und verbrachten zwei ruhige Tage mit Wäschewaschen und viel Sonne auf einem kleinen Campingplatz. Die Akklimatisierung an das europäische Leben und die westeuropäischen Touristen setzte sich fort. Der nord-westliche Zipfel Bulgariens war vor allem von weichen Hügellandschaften und Feldern geprägt und beeindruckte uns mit seinen alten Bauernhäuschen und der sanften Natur. Der Grenzübertritt nach Serbien gestaltete sich komplikationslos und in Jagodina fanden wir für zwei Tage ein Ökocamp. Mittlerweile hatte auch uns die europäische Hitzewelle eingeholt und wir waren immer wieder versucht, uns so wenig wie möglich zu bewegen. Die brütende Sommerhitze sollte uns auch noch weit bis nach der Heimkehr nach Deutschland verfolgen. Aber natürlich konnte uns auch das gut funktionierende Internet nicht zwei Tage lang befriedigen und so machten wir uns unter Anderem zum Museum für Naive Kunst auf. Selbiges zu finden, setze uns vor gewisse Schwierigkeiten. Jedoch haben wir die Hilfsbereitschaft und -möglichkeit der Jagodinaer unterschätzt. Ein ziemlich abgeranzt aussehender, zahnloser Taxi-Fahrer, der biertrinkend im Schatten saß, konnte uns zu unserer Überraschung in flüssigem Englisch den Weg weisen, nicht ohne die Bedeutung des Museums für die internationale Naive Kunst zu erläutern. Wie oft einem so etwas wohl in Magdeburg passieren würde? Außerdem betrachteten wir die örtlichen Wasserspiele und die Kirche und genossen die serbische Küche. (Viel Fleisch mit ein bisschen Salat, welcher von viel Käse überdeckt wird).
 Mit der Zeltplatzbesitzerin sprachen wir unter Anderem über den korrupten Bürgermeister Jagodinas und sein Springbrunnenprestige-Projekt, als auch über die Architektur in Belgrad.

Der große Springbrunnen von Jagodina

Eine weitere Attraktion: Ein Pommes-Automat

Auch Jagodina hat seine sehenswerte Kirche

Das Museum für Naive Kunst

Von Jagodina ging es weiter nach Vinča, wo wir seit Budapest unseren ersten unverstellten Blick auf die Donau genießen konnten, die hier noch um einiges größer und anmutiger dahin floss. In Vinča entdeckte man bei Ausgrabungen eine der ältesten städtischen Siedlungen Europas, deren Überreste in einem winzigen Museum ausgestellt werden.

In Vinča

Nach einigen Kilometern entlang der Donau brach Belgrad jung und modern über uns herein. Die Straßen voller Studenten und Touristen, die Einkaufsmeile voller Cafés, an den Uferpromenaden hunderte schwimmender Hausboot-Bars und Discotheken. Im Zentrum kaum eine Ecke, aus der noch das Gefühl von Jugoslawien quillt. Stattdessen gab es sehenswerte Ziele, wie einige der vielen Kirchen und Kathedralen. Da wäre erstens zu nennen, die Sveti Sava-Kirche. Das ist mit die größte orthodoxe Kirche der Welt, die mit einer gewaltigen Kuppel imponieren konnte. Im Kellergewölbe der Kirche konnten wir uns in einer temporären Ausstellung über das Leben das Romanovs bilden. Zumindest wenn wir russisch gekonnt hätten. Außerdem gab es die Festungsruine über der Donau zu sehen, die auf der Touristenkarte als "Leisure-Zones" markierten hübschen Kneipenviertel und das Nicola-Tesla-Museum, welches uns durch eine gute Führung und ordentlich erklärte Exponate, diesen Ausnahmewisschenschaftler und sein Schaffen näher bringen konnte. Wir genossen die zwei Tage in der Stadt sehr, obwohl wir dem Nachtleben, für das Belgrad international bekannt ist, aus dem Weg gingen...


Blick auf Belgrad, wo die Save in die Donau mündet


In der Festungsanlage Kalemegdan

Kirche der Heiligen Mutter Gottes

Im Zentrum, da dies eine Fußgängerzone ist, müssen auch alle Autos zu Fuß gehen

Die Markuskirche

Dachgepäckträger-Technik aus der Zukunft

Die Sveti Sava - größte Kuppelkirche der Welt

Zar Nikolaus und Zar Fabian (v.l.n.r.)

Dem Tesla sein Museum

Lebensgefährliche Experimente mit Besuchern der Tesla-Museums

Statue
Unser nächstes Ziel war das - für einen Film von  Emir Kusturica extra aufgebaute - "Küstendorf"-Drvengrad bei Mokra Gora. Kusturica hat u.a. "Schwarze Katze, weißer Kater" gedreht. Für seinen Film "Das Leben ist ein Wunder" wurde kurz vor der bosnischen Grenze ein Dorf aus traditionellen Holzhäusern erbaut, welches heute als Museum und Hotel dient.


Auf dem Marktplatz von Drvengrad

Nach einem Auffahrunfall zweier Trabants

Das Küstendorf

Auch Herr Dostojewski wurde verewigt

KUNST!






Am pittoresken Bahnhof
Von Mokra Gora ging es weiter nach Bosnien-Herzogowina, das Land in dem man mit der konvertiblen Mark bezahlt, die im festen Wechselkurs zum Euro immer und fast überall 2 zu1 getauscht werden kann, sodass sich selbst die Einheimischen manchmal wundern, wenn man in ihrer eigenen Währung bezahlen will.
Der Grenzübertritt verlief reibungslos, aber auf serbischer Seite wurden tatsächlich unsere losen Zettelchen kontrolliert, die wir für jede Übernachtung auf den Zeltplätzen gesammelt hatten. (In Serbien besteht polizeiliche Meldepflicht, sobald man sich länger als einen Tag am selben Ort aufhält. In Bosnien zwar auch, aber da interessierten sich weder die Zeltplatzwärter noch die Grenzkontrolleure für diese Formalität!)
Da wir auch von Bosnien wenig Vorstellung hatten, überraschten uns die tiefen, weißen Felsschluchten entlang blau-grüner Flüsse und Seen, denen wir lange auf der Straße folgten, bis wir an dem Fluss Drina einen Campingplatz fanden, an dem wir mehrere Tage entspannen konnten, bevor wir uns zur nächsten Hauptstadtbesichtigung aufmachten.


Die Drina

Sarajevo wirkte im Vergleich zu anderen, kürzlich gesehenen Hauptstädten, winzig und provinziell, obwohl hier schon so viel Geschichte geschrieben wurde. Bosnien-Herzogowina ist nach der Herrschaft der Ottomanen bis heute sehr muslimisch geprägt. Es gibt neben den Kirchen auch viele Moscheen und das Stadtzentrum erinnert mit den Basaren an eine Miniaturvariante von Istanbul. Hier "begann" der 1. Weltkrieg mit dem Attentat auf Erzherzog Franz Ferdinand und der Bosnienkrieg zeichnet die Stadt bis heute. Sarajevo liegt denkbar ungünstig in einem Talkessel und wurde von 1992 bis ´95 von serbischen Truppen belagert. Viele der Häuser tragen noch die Einschusslöcher und auch der schmale Tunnel, den die Bewohner unter dem, von der UN gesicherten, Flughafengelände gegraben hatten, um die Stadt sicher verlassen zu können, ist noch in Teilen erhalten. Bis heute gibt es in Bosnien noch Minenfelder, die nur mit Schildern markiert, aber nicht entschärft worden sind. Und das historische Museum in Sarajevo erzählt nur von Krieg und Verbrechertribunalen.


Immer wieder gibt es Häuser zu sehen, die noch voller Einschlusslöcher sind

Am anderen Ende dieser Brücke wurde einst ein gewisser Franz Ferdinand erschossen

Muslimischer Friedhof in Sarajevo

Geschmackvolle Souvenirs in Sarajevo

In der Altstadt von Sarajevo

Das Tunnelmuseum

...
Die darauffolgenden Tage verbrachten wir am See Jezero, der weniger von der Geschichte, dafür aber sehr von der Bevölkerungsstruktur der bosnischen Gesellschaft geprägt wurde. Während einerseits einige Frauen im Bikini in der Sonne lagen, schlenderten direkt daneben Frauen am Ufer entlang, welche bis auf einen Sehschlitz komplett verhüllt waren (= sog. Niqab). Ein Kontrast, den wir auf unserer gesamten Reise noch nicht so deutlich vor Augen hatten. Der See war aber am Ende für alle ein kleines Urlaubsparadies und auch wir genossen das klare Wasser und das sommerliche Wetter.
Als letztes Ziel in Bosnien nahmen wir uns Mostar vor, doch wir schafften es bloß bis auf den Zeltplatz in einem Nachbarort. Zunächst können wir uns am Abend noch ein Derwischkloster anschauen. Doch den gesamten darauffolgenden Tag verbrachten wir im Schatten der Cloud Machine, Fabi lesend und ich mit Magen-Darm-Infekt, der mich zum beliebten Gast auf der einen Frauentoilette des Zeltplatzes machte. Nach einem Tag war es alles wieder vorbei, aber wir mussten leider schon weiter. Fabis Geburtstag stand kurz bevor und den wollten wir in Serbien beim Guca-Festival begehen.


Ein kleines Paradies: Boracko Jezero

Es war heiß in Mostar

Blagaj Tekke, das Derwisch-Kloster

Vertrauenerweckende Stellfläche

Also ging es wieder zurück ins Nachbarland Serbien, teilweise noch etwas schwach auf den Beinen. Der Grenzer war diesmal zu Späßen aufgelegt, als er hörte, wo wir hin wollen, ist seine nächste logische Frage natürlich: "Do you have any drugs?" Und als wir verneinen, geht es weiter: "Are you sure?" Mit dem Unterton: Was wollt ihr in Guca ohne Drogen? Aber er lässt uns ohne weitere Kontrolle ziehen.

Das Guca-Festival hat es mitlerweile auch zu internationaler Bekanntheit gebracht. Ursprünglich mal als simples Kräftemessen der lokalen Bläsergruppen konzipiert, feiert nun das ganze Dorf eine Woche lang den Exzess mit krachend lauter Balkan-Musik an allen Ecken, Bühnen, Discos, traditionellen Kostümen, Alkohol und viel zu viel Grillfleisch. Für meinen Magen waren die allgegenwärtigen Schweinehälften noch nicht der erfreulichste Anblick, aber die Musik konnte auch mich schon wieder begeistern. Für ein paar Dinar wurden von den umherziehenden Kapellen auf der Straße und an den Kneipen immer wieder Ständchen gespielt. Gerne auch so, dass sich zwei oder drei Bands mit einem der ebenfalls anwesenden DJs angenehm überlagertenn. Am nächsten Morgen ging die Party direkt weiter, als ein ganzer Familien-Clan mit Kapelle offenbar hochzeitsfeiernderweise an unserem Bus vorbeizog...



In Guca

Ein kleines Ständchen

Nachts in Guca

Morgens in Guca
Langsam drückte aber das Heimweh und wir brachen trotz spannendem Festival noch am selben Tag Richtung Heimat auf. Am ersten Tag fuhren wir bloß bis nach Belgrad, wo wir das erste mal seit langem ins Kino gingen und uns Mission Impossible 5 auf Englisch mit serbischen Untertiteln ansahen und uns außerdem noch einmal dem abendlichen Flair der schönen Stadt hingaben. Am Folgetag ging es durch Serbien und fast ganz Ungarn bis nach Mosonmagyarovar, Und am darauffolgenden Abend rollten wir bereits in Dresden bei Fabis Eltern ein.

Dort endete wohl dieses Abenteuer...


Heimkehr

Montag, 20. Juli 2015

Durch grünes Land

Unsere letzte Zeit war im Wesentlichen dadurch geprägt, dass wir nach so viel Abenteuer, Erlebnissen und Sehenswürdigkeiten im Iran lieber einen Gang runter schalten wollten. Eh dieses richtige Urlaubsgefühl eintrat, sollte es aber noch einen Moment dauern. Am Van-See verbrachten wir die Zeit noch im Wesentlichen damit, Auto-Inneres und Wäsche zu reinigen, sowie diverse Schriftstücke anzufertigen (zum Beispiel für die hier vorliegende Seite). Ein Restaurant hatte dort eine Kiesfläche als Campingplatz deklariert und so blieben wir drei Nächte an der Stelle. Wir genossen die wunderbaren Tage, mit ihrem milden Wetter, dem leichten Wind und der relativen Ruhe und Beschaulichkeit. Die Abende waren jedoch eher davon geprägt, Schutz im Mobil zu suchen: dichte Schwärme irgendwelcher Fliegen begaben sich an das großzügig beleuchtete Ufer und unterbanden so jeglichen Aufenthalt im Freien, da zu befürchten war, mit jedem Atemzug nebst frischer Luft auch mehrere Gramm Fliegen einzuatmen. So fuhr dann auch folgerichtig jeden Abend ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung mit seinem Pick-Up über den Strand, auf dessen Ladefläche so eine Art Dampfmaschine installiert war. Durch seine Runden am Wasser entlang wurde ein Großteil des Ufers in einen insektiziden Nebel gehüllt, wohl mit dem Ziele den Insektenschwärmen Herr zu werden.  Auch der Kellner des Restaurants machte am Morgen mit einer transportablen Variante dieser Nebelmaschine seine Runden. Der Erfolg schien uns immer noch eher gelinde, aber es sah auf jeden Fall aus, wie eine Szene aus einem Science-Fiction-Film. Das muss doch auch etwas wert sein.

Ausblick auf den Van-See

Im Anschluss an unseren Aufenthalt am Van-See zog es uns erneut in Richtung der iranischen Grenze und zum Ararat. In dem Grenzort Doğubeyazıt bewunderten wir den İshak Paşa Sarayı. Das ist eine mittelalterliche Burganlage, schlicht in der Farbgebung, überreich in der Gestaltung. Beim Erkunden der Burg, mit ihrem Verlies, der Küche, Moschee, Harem, Empfangshallen etc. konnte man sich ganz gut vorstellen, wie es wohl damals war an diesem Ort zu leben. Beinahe hätte sich unsere Zweier-Reisegemeinschaft noch erweitert, da auf dem Zeltplatz auch eine Hundefamilie ansässig war, die gerade Zuwachs von drei ganz kleinen, flauschigen Welpen erhalten hatte, welche Sandra am liebsten sofort adoptiert hätte. Den Ararat gab es übrigens nur einmal ganz kurz zu sehen, bevor er sich wieder hinter den wunderbar kühlenden Gewitterwolken versteckte.

Die Ebene von Doğubayazit 

Das İshak Paşa Sarayı

Im İshak Paşa Sarayı

Im Folgenden wollten wir nun endlich zur Entspannung, für uns in Form des Schwarzen Meeres, finden. Bevor es jedoch so weit war, mussten wir noch eine Menge Auto fahren. Zunächst führte unser Weg uns noch nach Erzurum. Die Stadt, noch tief in Ostanatolien gelegen, konnte durch ihre hübschen, im seldschukischen Stil gebauten Koranschulen und ihrer mittäglichen Entspanntheit überzeugen. Von der Zitadelle, die hoch über der Stadt thronte, bekamen wir einen wunderbaren Rundumblick über die umgebende Ebene und die schneebedeckten Gipfel am Horizont. Im örtlichen ethnographischen Museum erhielten wir einen kleinen Einblick in traditionell anatolische Kleidung, Schmuck, Handwerk und Haushalt.

Grabtürme in Erzurum

Die Yakutiye Medresesi

In der Zitadelle

Nennt man das ein Kugellager? (Zitadelle)

Das Schuheputzen - nur beim Profi

Überhaupt, gefiel uns das anatolische Hochland sehr. Es war geprägt durch schöne Berglandschaften und weite Täler. Und im großen Kontrast zum Iran auch durch großen Wasserreichtum und dementsprechend grüne Landschaften. Diese gewährleisteten, dass nicht jeder fruchtbare Flecken, mit Feldern, Plantagen oder Siedlungen besetzt war, wie es im vorherigen Land  üblich war. So konnten wir drei Nächte hintereinander ungestört und dennoch an wunderschönen Orten wild campen. Eine Möglichkeit, die in den zwei Monaten Iran praktisch nie bestand.
Unsere Cloud Machine muteten wir auf unserer bisherigen Tour auch Einiges zu. Obwohl wir bereits 20000 km gefahren waren, waren wir immer noch einen Ölwechsel und die Pflege des Dieselfilters schuldig. Also suchten wir auf unserer Strecke zum Schwarzen Meer eine der zahlreichen Werkstätten auf, die enorm freundlich, schnell und günstig den Ölwechsel durchführten, sowie Öl-, Diesel- und Luftfilter tauschten. Das alles im Tausch gegen knapp 200 Lira, also 60 €. Wir fuhren noch ein kleines Stück weiter, um an einer Tankstelle, die dringend benötigte Autowäsche durchzuführen. Als wir wieder starten wollten, entschied sich das Auto dies nur mit sehr begrenzter Leistung zu tun. Der Motor stotterte, hustete und prustete und das Mobil ließ sich lediglich auf flotte Schrittgeschwindigkeit beschleunigen. Nach dem Öffnen der Motorhaube mussten wir schnell feststellen, dass es fleißig aus dem gerade frisch eingebauten Dieselfilter tropfte und bei noch genauerer Inspektion hatten wir auf einmal einen gebrochenen Dichtungsring in der Hand.
Bei den Tankstellenwärtern wollten wir uns eigentlich nur kurz nach der nächsten Werkstatt erkundigen. Sie ließen es sich aber nicht nehmen kurz nachzuschauen, was das Problem sei und es wurde eilig telefoniert und sie gaben uns irgendwie zu verstehen, dass ein KFZ-Rettungswagen auf dem Weg sei. Dieser traf kurze Zeit später ein und ohne viel Worte gingen die beiden Mechaniker schnell zu Werke und ruck zuck lag der eigentlich noch ganz frische Dieslfilter auf dem Fußboden und ein neuer wurde eingebaut. Zwar ein etwas zu überambitioniertes Vorgehen, aber aufgrund der Sprachbarriere war es schwierig den Herren dies klarzumachen. Da sie jedoch auch den Dichtungsring mit austauschten, war das Problem nun gelöst und wir konnten für weitere 30 Euro mit einem bis heute einwandfrei fahrendem Auto unseren Weg fortsetzen.
Dieser führte uns dann ans Schwarze Meer, zunächst nach Samsun. Wir suchten den gleichen Zeltplatz auf, den wir schon im Winter nutzten. Allerdings war er trotz Sommer nicht schöner geworden. Er lag immer noch an der Stadtautobahn und an einem Hafenbecken, das nun in der warmen Zeit jedoch auch noch einen klärigen Duft verströmte.
Diesmal waren wir aber nicht allein, sondern teilten uns den Platz mit einigen Türken aus Deutschland auf Heimaturlaub und einem jungen Mann, der Deutschland verlassen hat um wieder dauerhaft in der Türkei zu leben. Er erklärte uns, dass er in Deutschland wenig Perspektiven sah. Trotz langjähriger Berufserfahrung habe er immer noch den Eindruck, dass in den Personalabteilungen im Zweifel lieber auf den etwas schlechter qualifizierten „Bernd“ zurückgegriffen wird als auf alle „Alis“, „Mohammeds“ oder „Murrats“, die ihre Bewerbungsunterlagen einreichen. In der Türkei kann er, so wie viele seiner Freunde und Familienmitglieder, die zuvor in Deutschland lebten,stattdessen entspannt in der Türkei arbeiten, der Verdienst sei  in Ordnung und das Wetter ist auch besser.
Das gibt einem schon etwas zu denken, dass wir als deutsches Volk es nie so richtig geschafft haben uns von den alten Ressentiments zu befreien und dafür nun Landsleute lieber in ihrer ursprünglichen Heimat leben, als mit uns.
Am Folgetag erreichten wir schlussendlich Sinop, fanden dort einen feinen Zeltplatz und dann begann der Urlaub. Nach drei Tagen Lesen, Baden, Seele-baumeln-lassen, fuhren wir immer noch geprägt von diesem Geist weiter die Schwarzmeerküste entlang. Zunächst bewunderten wir noch ein paar Wasserfälle in der Nähe von Sinop und folgten dann die Küstenstraße. Diese entpuppte sich zwar als stetige Berg- und Teilfahrt und war durch ihre Enge auch nicht immer entspannt zu fahren, aber dafür sind an der Schwarzmeerküste in engen Abständen Campingplätze zu finden, so dass wir die Strecke in überschaubare Portionen aufteilen konnten. 

Die Blaue Lagune an den Erfelek-Wasserfällen, Brooke Shields nicht im Bild

Schwarzmeerküste

"Badestrand" in Akçakoca

Letztendlich landeten wir wieder in Istanbul und saugten noch einmal das besondere Flair der Stadt auf. Außerdem besuchten wir gemeinsam mit ungefähr 50 Millionen anderen Touristen wieder die unfassbar schöne Blaue Moschee und erkundeten drei Stunden lang den beeindruckenden Topkapı-Palast. 


Gartenhäuschen im Tokapi-Palast

Im Harem des Palastes

Auf dem Weg nach Bulgarien hielten wir noch kurz in Edirne, um unseren Wagen mit feinsten türkischen Waren zu füllen. Auf dem Weg zur Grenze kamen uns bereits Heerscharen an Fahrzeugen mit Dachbox entgegen, die laut Nummernschild Deutschland, Holland oder Belgien entstammten und anscheinend allesamt mit Leuten auf Heimatbesuch gefüllt waren. Da waren wir froh in die entgegengesetzte Richtung unterwegs zu sein, da so die Schlange an der Grenze lediglich aus fünf Autos bestand, nicht aus 200, wie auf der Gegenseite. Der Grenzübertritt erfolgte erschreckend unkompliziert. Wir mussten weder endlos lange warten noch überhaupt das Auto verlassen. Ein Grenzbeamter vergewisserte sich nur, dass wir auch wirklich nur zu zweit waren. Für den Schengenraum sicher gängige Praxis, aber nach unseren Grenzerfahrungen der letzten Monate ein positiver Kulturschock.

Edirne


In Bulgarien angekommen verweilten wir erstmal zwei Tage in Grenznähe. Der dortige Campingwärter, erklärte uns die Vorteile dessen, als Engländer, wie er es ist, in Bulgarien eine Heimat zu finden. Billig, entspannt, gutes Wetter – um es kurz zusammen zu fassen. Wie es ist, in Bulgarien einen Campingplatz zu führen – einfach, weil das Land touristisch kaum erschlossen ist, so dass man schon mit einfachsten Mitteln einen Wettbewerbsvorteil erhält und den Tourismus noch regelrecht prägen kann. Als er sich gerade dazu aufschwang, darzulegen, warum es nur vorteilhaft sein kann, sich aus dem mitteleuropäischen Wettlauf, den wir Arbeitsleben nennen, auszuklinken und stattdessen zu Reisen oder entspannt im Ausland zu leben, musste das Gespräch dann jedoch ein Ende finden, da wir uns vorgenommen hatten an dem Tag noch die Stadt Plovdiv anzuschauen.

Wir erkundeten in dieser hübschen Stadt die engen Gassen, die Antiquitätenläden, das römische Amphitheater und genossen es, uns ohne schlechtes Gewissen mitten am Tag in ein Restaurant setzen zu können, da ja in Bulgarien für die Mehrheit der Menschen der Ramadan nichts bedeutet. Am Abend fuhren wir zum Batak-See, wo uns ein weiterer schöner Campingplatz in wundervoll ruhiger Umgebung erwarten sollte, an dem wir gerne drei Tage verweilten. Von dort aus ging es weiter zum Rila Kloster, welches wunderhübsch im gleichnamigen Gebirge gelegen ist. Wir bewunderten die sehr schöne Anlage, die enorm farbenfroh und flächendeckend bemalte Kirche, das niedliche Museum über das Handwerk im Kloster und nutzten die herrlich waldige Umgebung, um kleine Spaziergänge, wie zum Beispiel zum Grab des Heiligen Rila, zu unternehmen.
Das Amphitheater in Plovdiv

Der Campingplatz am Batak-See


Rila-Kloster

Fröhliche Fassadengestaltung an der Klosterkirche

"Ein Happs für Mama ..."

Nach dem Rila-Gebirge ging es weiter in die Hauptstadt Bulgariens, die zwar wenig mit den großen europäischen Metropolen gemein hat und ein eigenes schönes Flair verströmt, dass bis auf einige sehr abstrakte kommunistische Kunstwerke sogar sehr wenig an die Sowjetunion erinnert. Stattdessen gibt es von innen reich bemalte Kirchen, alte Gründerzeitvillen, eine gemütliche Einkaufstraße und ein paar kreative Bewohner, die das Stadtbild noch verschönern.

Neben einigen Kirchen, die während der 500jährigen Besatzung durch die Ottomanen fast alle als Moscheen fungierten, besuchen wir auch das nationale Historische Museum. Hier ging es um die Stein- und Bronzezeit, die Hochkultur der Thraker, die Unterdrückung der bulgarisch-orthodoxen Kirche durch die Ottomanen und die Aufrechterhaltung des Glaubens trotz der Besatzungsmacht, um bulgarische Trachten und die etwas neuere Geschichte. In der Zeit der beiden Weltkriege wurde das Land von einer Zarenfamilie beherrscht. Im 2. Weltkrieg arbeitete der Zar zunächst mit Hitler zusammen, verweigerte aber unter Anderem die Auslieferung der in Bulgarien lebenden Juden. Ein weiterer interessanter Fakt: Sein Sohn, der letzte bulgarische Zar musste das erste Mal während des Krieges flüchten und wurde später von den Kommunisten ins Exil geschickt. Die beiden Länder, die er aufgrund von Krieg und politischer Verfolgung zunächst aufsuchte: Syrien und Ägypten. Aber einen ehemaligen Zaren würden wir vielleicht auch aufnehmen!

Die Aleksander-Nevski-Kirche

Laut Reiseführer das "Party House"

Wachen vorm Präsidentenpalast

Ein indisches Filmteam empfand den Vorplatz der Nevski-Kirche als den schönsten Ort, um ein Greenscreen aufzubauen

Das "Monument des Bulgarischen Staates", laut Reiseführer ein "eyesore" (engl.: Augenschmerz)