Unsere letzte Zeit war im Wesentlichen dadurch geprägt, dass
wir nach so viel Abenteuer, Erlebnissen und Sehenswürdigkeiten im Iran lieber
einen Gang runter schalten wollten. Eh dieses richtige Urlaubsgefühl eintrat,
sollte es aber noch einen Moment dauern. Am Van-See verbrachten wir die Zeit noch im
Wesentlichen damit, Auto-Inneres und Wäsche zu reinigen, sowie diverse
Schriftstücke anzufertigen (zum Beispiel für die hier vorliegende Seite). Ein
Restaurant hatte dort eine Kiesfläche als Campingplatz deklariert und so
blieben wir drei Nächte an der Stelle. Wir genossen die wunderbaren Tage, mit
ihrem milden Wetter, dem leichten Wind und der relativen Ruhe und
Beschaulichkeit. Die Abende waren jedoch eher davon geprägt, Schutz im Mobil zu
suchen: dichte Schwärme irgendwelcher Fliegen begaben sich an das großzügig
beleuchtete Ufer und unterbanden so jeglichen Aufenthalt im Freien, da zu
befürchten war, mit jedem Atemzug nebst frischer Luft auch mehrere Gramm
Fliegen einzuatmen. So fuhr dann auch folgerichtig jeden Abend ein Mitarbeiter
der Stadtverwaltung mit seinem Pick-Up über den Strand, auf dessen Ladefläche
so eine Art Dampfmaschine installiert war. Durch seine Runden am Wasser entlang
wurde ein Großteil des Ufers in einen insektiziden Nebel gehüllt, wohl mit dem
Ziele den Insektenschwärmen Herr zu werden.
Auch der Kellner des Restaurants machte am Morgen mit einer
transportablen Variante dieser Nebelmaschine seine Runden. Der Erfolg schien
uns immer noch eher gelinde, aber es sah auf jeden Fall aus, wie eine Szene aus
einem Science-Fiction-Film. Das muss doch auch etwas wert sein.
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Ausblick auf den Van-See |
Im Anschluss an unseren Aufenthalt am Van-See zog es uns
erneut in Richtung der iranischen Grenze und zum Ararat. In dem Grenzort Doğubeyazıt
bewunderten wir den İshak Paşa Sarayı. Das ist eine mittelalterliche
Burganlage, schlicht in der Farbgebung, überreich in der Gestaltung. Beim
Erkunden der Burg, mit ihrem Verlies, der Küche, Moschee, Harem, Empfangshallen
etc. konnte man sich ganz gut vorstellen, wie es wohl damals war an diesem Ort
zu leben. Beinahe hätte sich unsere Zweier-Reisegemeinschaft noch erweitert, da
auf dem Zeltplatz auch eine Hundefamilie ansässig war, die gerade Zuwachs von
drei ganz kleinen, flauschigen Welpen erhalten hatte, welche Sandra am liebsten
sofort adoptiert hätte. Den Ararat gab es übrigens nur einmal ganz kurz zu sehen, bevor er sich wieder hinter den wunderbar kühlenden Gewitterwolken versteckte.
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Die Ebene von Doğubayazit |
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Das İshak Paşa Sarayı |
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Im İshak Paşa Sarayı | |
Im Folgenden wollten wir nun endlich zur Entspannung, für
uns in Form des Schwarzen Meeres, finden. Bevor es jedoch so weit war, mussten
wir noch eine Menge Auto fahren. Zunächst führte unser Weg uns noch nach
Erzurum. Die Stadt, noch tief in Ostanatolien gelegen, konnte durch ihre
hübschen, im seldschukischen Stil gebauten Koranschulen und ihrer mittäglichen
Entspanntheit überzeugen. Von der Zitadelle, die hoch über der Stadt thronte,
bekamen wir einen wunderbaren Rundumblick über die umgebende Ebene und die
schneebedeckten Gipfel am Horizont. Im örtlichen ethnographischen Museum
erhielten wir einen kleinen Einblick in traditionell anatolische Kleidung, Schmuck,
Handwerk und Haushalt.
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Grabtürme in Erzurum |
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Die Yakutiye Medresesi |
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In der Zitadelle |
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Nennt man das ein Kugellager? (Zitadelle) |
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Das Schuheputzen - nur beim Profi |
Überhaupt, gefiel uns das anatolische Hochland sehr. Es war
geprägt durch schöne Berglandschaften und weite Täler. Und im großen Kontrast
zum Iran auch durch großen Wasserreichtum und dementsprechend grüne
Landschaften. Diese gewährleisteten, dass nicht jeder fruchtbare Flecken, mit
Feldern, Plantagen oder Siedlungen besetzt war, wie es im vorherigen Land üblich war. So konnten wir drei Nächte
hintereinander ungestört und dennoch an wunderschönen Orten wild campen. Eine
Möglichkeit, die in den zwei Monaten Iran praktisch nie bestand.
Unsere Cloud Machine muteten wir auf unserer bisherigen Tour
auch Einiges zu. Obwohl wir bereits 20000 km gefahren waren, waren wir immer
noch einen Ölwechsel und die Pflege des Dieselfilters schuldig. Also suchten
wir auf unserer Strecke zum Schwarzen Meer eine der zahlreichen Werkstätten
auf, die enorm freundlich, schnell und günstig den Ölwechsel durchführten,
sowie Öl-, Diesel- und Luftfilter tauschten. Das alles im Tausch
gegen knapp 200 Lira, also 60 €. Wir fuhren noch ein kleines Stück weiter, um
an einer Tankstelle, die dringend benötigte Autowäsche durchzuführen. Als wir
wieder starten wollten, entschied sich das Auto dies nur mit sehr begrenzter
Leistung zu tun. Der Motor stotterte, hustete und prustete und das Mobil ließ
sich lediglich auf flotte Schrittgeschwindigkeit beschleunigen. Nach dem Öffnen der Motorhaube mussten wir schnell feststellen, dass es fleißig aus dem gerade frisch eingebauten Dieselfilter tropfte und bei noch
genauerer Inspektion hatten wir auf einmal einen gebrochenen Dichtungsring in
der Hand.
Bei den Tankstellenwärtern wollten wir uns eigentlich nur kurz nach
der nächsten Werkstatt erkundigen. Sie ließen es sich aber nicht nehmen kurz
nachzuschauen, was das Problem sei und es wurde eilig telefoniert und sie gaben
uns irgendwie zu verstehen, dass ein KFZ-Rettungswagen auf dem Weg sei. Dieser
traf kurze Zeit später ein und ohne viel Worte gingen die beiden Mechaniker
schnell zu Werke und ruck zuck lag der eigentlich noch ganz frische Dieslfilter
auf dem Fußboden und ein neuer wurde eingebaut. Zwar ein etwas zu
überambitioniertes Vorgehen, aber aufgrund der Sprachbarriere war es schwierig
den Herren dies klarzumachen. Da sie jedoch auch den Dichtungsring mit
austauschten, war das Problem nun gelöst und wir konnten für weitere 30 Euro mit einem bis heute einwandfrei
fahrendem Auto unseren Weg fortsetzen.
Dieser führte uns dann ans Schwarze Meer, zunächst nach
Samsun. Wir suchten den gleichen Zeltplatz auf, den wir schon im Winter
nutzten. Allerdings war er trotz Sommer nicht schöner geworden. Er lag immer
noch an der Stadtautobahn und an einem Hafenbecken, das nun in der warmen Zeit
jedoch auch noch einen klärigen Duft verströmte.
Diesmal waren wir aber nicht allein, sondern teilten uns den Platz mit einigen Türken aus Deutschland auf Heimaturlaub und einem jungen Mann, der Deutschland verlassen hat um wieder dauerhaft in der Türkei zu leben. Er
erklärte uns, dass er in Deutschland wenig
Perspektiven sah. Trotz langjähriger Berufserfahrung habe er immer noch den Eindruck, dass in den
Personalabteilungen im Zweifel lieber auf den etwas schlechter qualifizierten „Bernd“
zurückgegriffen wird als auf alle „Alis“, „Mohammeds“ oder „Murrats“, die ihre
Bewerbungsunterlagen einreichen. In der Türkei kann er, so wie viele seiner Freunde und
Familienmitglieder, die zuvor in Deutschland lebten,stattdessen entspannt in der Türkei
arbeiten, der Verdienst sei in Ordnung
und das Wetter ist auch besser.
Das gibt einem schon etwas zu denken, dass wir
als deutsches Volk es nie so richtig geschafft haben uns von den alten
Ressentiments zu befreien und dafür nun Landsleute lieber in ihrer
ursprünglichen Heimat leben, als mit uns.
Am Folgetag erreichten wir schlussendlich Sinop, fanden dort
einen feinen Zeltplatz und dann begann der Urlaub. Nach drei Tagen Lesen,
Baden, Seele-baumeln-lassen, fuhren wir immer noch geprägt von diesem Geist
weiter die Schwarzmeerküste entlang. Zunächst bewunderten wir noch ein paar
Wasserfälle in der Nähe von Sinop und folgten dann die Küstenstraße. Diese
entpuppte sich zwar als stetige Berg- und Teilfahrt und war durch ihre Enge
auch nicht immer entspannt zu fahren, aber dafür sind an der Schwarzmeerküste
in engen Abständen Campingplätze zu finden, so dass wir die Strecke in
überschaubare Portionen aufteilen konnten.
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Die Blaue Lagune an den Erfelek-Wasserfällen, Brooke Shields nicht im Bild |
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Schwarzmeerküste |
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"Badestrand" in Akçakoca |
Letztendlich landeten wir wieder in Istanbul und saugten
noch einmal das besondere Flair der Stadt auf. Außerdem besuchten wir gemeinsam
mit ungefähr 50 Millionen anderen Touristen wieder die unfassbar schöne Blaue
Moschee und erkundeten drei Stunden lang den beeindruckenden Topkapı-Palast.
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Gartenhäuschen im Tokapi-Palast |
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Im Harem des Palastes |
Auf dem Weg nach Bulgarien hielten wir noch kurz in Edirne,
um unseren Wagen mit feinsten türkischen Waren zu füllen. Auf dem Weg zur
Grenze kamen uns bereits Heerscharen an Fahrzeugen mit Dachbox entgegen, die
laut Nummernschild Deutschland, Holland oder Belgien entstammten und
anscheinend allesamt mit Leuten auf Heimatbesuch gefüllt waren. Da waren wir
froh in die entgegengesetzte Richtung unterwegs zu sein, da so die Schlange an
der Grenze lediglich aus fünf Autos bestand, nicht aus 200, wie auf der
Gegenseite. Der Grenzübertritt erfolgte erschreckend unkompliziert. Wir mussten
weder endlos lange warten noch überhaupt das Auto verlassen. Ein Grenzbeamter
vergewisserte sich nur, dass wir auch wirklich nur zu zweit waren. Für den
Schengenraum sicher gängige Praxis, aber nach unseren Grenzerfahrungen der
letzten Monate ein positiver Kulturschock.
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Edirne |
In Bulgarien angekommen verweilten wir erstmal zwei Tage in
Grenznähe. Der dortige Campingwärter, erklärte uns die Vorteile dessen, als
Engländer, wie er es ist, in Bulgarien eine Heimat zu finden. Billig,
entspannt, gutes Wetter – um es kurz zusammen zu fassen. Wie es ist, in
Bulgarien einen Campingplatz zu führen – einfach, weil das Land touristisch
kaum erschlossen ist, so dass man schon mit einfachsten Mitteln einen
Wettbewerbsvorteil erhält und den Tourismus noch regelrecht prägen kann. Als er
sich gerade dazu aufschwang, darzulegen, warum es nur vorteilhaft sein kann,
sich aus dem mitteleuropäischen Wettlauf, den wir Arbeitsleben nennen,
auszuklinken und stattdessen zu Reisen oder entspannt im Ausland zu leben,
musste das Gespräch dann jedoch ein Ende finden, da wir uns vorgenommen hatten an
dem Tag noch die Stadt Plovdiv anzuschauen.
Wir erkundeten in dieser hübschen
Stadt die engen Gassen, die Antiquitätenläden, das römische Amphitheater und
genossen es, uns ohne schlechtes Gewissen mitten am Tag in ein Restaurant
setzen zu können, da ja in Bulgarien für die Mehrheit der Menschen der Ramadan
nichts bedeutet. Am Abend fuhren wir zum Batak-See, wo uns ein weiterer schöner
Campingplatz in wundervoll ruhiger Umgebung erwarten sollte, an dem wir gerne
drei Tage verweilten. Von dort aus ging es weiter zum Rila Kloster, welches
wunderhübsch im gleichnamigen Gebirge gelegen ist. Wir bewunderten die sehr
schöne Anlage, die enorm farbenfroh und flächendeckend bemalte Kirche, das
niedliche Museum über das Handwerk im Kloster und nutzten die herrlich waldige
Umgebung, um kleine Spaziergänge, wie zum Beispiel zum Grab des Heiligen Rila,
zu unternehmen.
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Das Amphitheater in Plovdiv |
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Der Campingplatz am Batak-See |
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Rila-Kloster |
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Fröhliche Fassadengestaltung an der Klosterkirche |
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"Ein Happs für Mama ..." |
Nach dem Rila-Gebirge ging es weiter in die Hauptstadt Bulgariens, die zwar wenig mit den großen europäischen Metropolen gemein hat und ein eigenes schönes Flair verströmt, dass bis auf einige sehr abstrakte kommunistische Kunstwerke sogar sehr wenig an die Sowjetunion erinnert. Stattdessen gibt es von innen reich bemalte Kirchen, alte Gründerzeitvillen, eine gemütliche Einkaufstraße und ein paar kreative Bewohner, die das Stadtbild noch verschönern.
Neben einigen Kirchen, die während der 500jährigen Besatzung durch die Ottomanen fast alle als Moscheen fungierten, besuchen wir auch das nationale Historische Museum. Hier ging es um die Stein- und Bronzezeit, die Hochkultur der Thraker, die Unterdrückung der bulgarisch-orthodoxen Kirche durch die Ottomanen und die Aufrechterhaltung des Glaubens trotz der Besatzungsmacht, um bulgarische Trachten und die etwas neuere Geschichte. In der Zeit der beiden Weltkriege wurde das Land von einer Zarenfamilie beherrscht. Im 2. Weltkrieg arbeitete der Zar zunächst mit Hitler zusammen, verweigerte aber unter Anderem die Auslieferung der in Bulgarien lebenden Juden. Ein weiterer interessanter Fakt: Sein Sohn, der letzte bulgarische Zar musste das erste Mal während des Krieges flüchten und wurde später von den Kommunisten ins Exil geschickt. Die beiden Länder, die er aufgrund von Krieg und politischer Verfolgung zunächst aufsuchte: Syrien und Ägypten. Aber einen ehemaligen Zaren würden wir vielleicht auch aufnehmen!
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Die Aleksander-Nevski-Kirche |
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Laut Reiseführer das "Party House" |
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Wachen vorm Präsidentenpalast |
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Ein indisches Filmteam empfand den Vorplatz der Nevski-Kirche als den schönsten Ort, um ein Greenscreen aufzubauen |
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Das "Monument des Bulgarischen Staates", laut Reiseführer ein "eyesore" (engl.: Augenschmerz) |