Die Begegnungen reißen nicht ab. Weiterhin wurden und werden
wir allerorten begrüßt, halten einen kurzen Plausch (Wo seid ihr her? Wo wollt
ihr hin? Wie gefällt euch der Iran? … Diese Fragen in unterschiedlichen
Sprachkonstellationen, Farsi, Englisch auch mal Deutsch.), werden beschenkt und
es wird sich mit recht viel Geduld unseren Fragen und Problemen angenommen.
Bemerkenswert waren:
Der junge Iraner mit dem wir in Teheran zwei Metrostationen fuhren und der uns
in diesen fünf Minuten in fließendem und wahnsinnig schnellem Deutsch von
seinem Problem berichtete, für sein Studium in Ilmenau ein Deutschlandvisum zu
erhalten. Zweimal wurde er abgelehnt, obwohl er bereits an der Uni angenommen
wurde. Auf seinem iPad zeigte er uns die entsprechenden Dokumente und ließ in
seiner Maschinengewehr-Erzählweise mal ordentlich Dampf ab.
Ein weiterer junger Iraner, den wir eigentlich nur kurz auf
unserem Rastplatz bei Damghan fragten, welches der Schriftzeichen denn nun die
Damen-respektive Herrentoilette indiziert. Anschließend erfragte er völlig
selbstverständlich für uns, ob wir auf dem Rastplatz übernachten dürfen. Dann
ließ er uns wissen, dass er gerade auf dem Weg zu seiner eigenen Hochzeit sei
und nun mit 30 Jahren endlich verheiratet werden würde. Nachdem wir uns bereits
herzlich verabschiedeten und gegenseitig alles Gute gewünscht hatten, klopft es
noch einmal am Bus und er schenkte uns Obst und Gemüse.
Die beiden Händler im Teheraner Basar. Zwei sehr alberne,
aber sehr freundliche Leute. Zwar gab es wieder nur Bruchstücke des Englischen.
Dennoch reichte es für ein lustiges Gespräch, während eines Tees. Und natürlich
dem Kauf eines Kopftuches. Sie versicherten: „Iraniansare not terrorists!
Iraniansare LOVE!“
Der ältere iranische Herr, der uns auf einem Parkplatz auf
Deutsch begrüßte: „Ah! Magdeburg, da sind wir ja fast Nachbarn.“ Er sei aus
Berlin und gerade auf großem Heimatbesuch.
Der freundliche Mann, der Sandra allein auf einer Parkbank
sitzen sah, während ich noch meinen Unterschriften für die Famulatur nachjagte. Nach einem zehnminütigen Gespräch,
unteranderem über eine Bustour durch Europa, die er mit Freunden in den
Sechzigern unternommen hatte, holte er aus seinem nahegelegenen Büro einen
großen Bildband über den Iran und schenkte ihn Sani, einfach so. Er meinte, er
habe zwei Stück davon und er wartet nun auf den nächsten Touristen, dem er das
zweite Exemplar schenken kann.
Die dreiköpfige Familie, die uns auf der Fahrt in den
Javarom-Park von ihrem Auto bereits mehrfach zuwinkte. Bei einem
Fahrerwechsel-Stopp standen die drei plötzlich neben uns und boten uns an, mit
ihnen zu ihrem Ferienhaus ans Kaspische Meer zu fahren. Wir lehnten mit der
Begründung ab, dass der 200km lange Weg uns doch zu weit sei. Worauf sie
natürlich nur lachen konnten und meinten, das sei doch nicht weit. Wir
tauschten Handynummern aus, um uns in der Hauptstadt eventuell wieder zu
treffen und im Verlaufe des Wochenendes wurde die Einladung per SMS noch
diverse Male wiederholt, sodass wir der freundlichen Einladung zum Abendessen ein
paar Tage später in den Teheraner Norden folgten. Wir konnten ihre moderne
Wohnung bewundern, lecker Hühnchen speisen und uns trotz der Sprachbarriere,
die größer war als wir im Vorfeld annahmen, etwas erzählen. Uns hat es gefallen
und ihnen anscheinend auch. Die Einladungen zum Übernachten oder zu einem
weiteren Treffen folgten, wir konnten sie jedoch nicht annehmen.
Der Kardiologe, der Sandra im Gespräch darlegte, dass es für
die Iraner besser gewesen wäre, wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte. Die
Beziehung zu Nazi-Deutschland wären aufgrund der gemeinsamen Zugehörigkeit zur
Volksgruppe der Arier doch angeblich freundschaftlicher als zu den
Achsenmächten gewesen. Dementsprechend hätte der Iran sich doch besser
entwickeln können als es tatsächlich der Fall war. Außerdem wären heute die
deutschen Tugenden von Effizienz, Pünktlichkeit und Ordnung das Leitbild in der
Welt und demnach die Produktivität aller Menschen höher. Auch vergaß er nicht
zu erläutern, dass die Iraner ein ganz anderes Verhältnis zum Islam hätten als
die Araber. Liebevoll und enthusiastisch statt verbissen und aggressiv.
Und natürlich Anette und Stefan, die beiden Reisenden von
mybeastgoeseast.de, mit denen wir uns dreimal trafen: Einmal im Javarom-Park
(bei Sari) und zweimal in Teheran. So konnten wir uns lang und intensiv darüber
austauschen, wie es ist zu reisen, wie die Behörden nerven und manchmal auch
die neugierigen /oberflächlichen Iraner, und was wir in den anderen Ländern so
erlebten und wir konnten uns noch etwas besser kennen lernen. Gerade über die
Zeit mit ihnen sind wir sehr dankbar und wünschen ihnen noch viel Erfolg beim
Meistern der vielen Hürden, die sich gerade vor ihnen auftürmen und viel Spaß
beim Reisen.
Aber mal der Reihe nach:
Wir verbrachten ja noch eine weitere Woche in Teheran, um unsere Famulaturen auszuüben. Diese verlief so ähnlich wie zuvor. Sani war zwischendurch noch auf der Kardiologie und nicht nur der Kardiochirurgie. Sieschaute sich also auch die Funktionsabteilungen und das Herzkatheterlaboran.
Bei mir lief eigentlich alles wie zuvor. Dadurch, dass sich die iranischen Studenten, die gerade ihr Blockpraktikum Neurologie absolvierten, ebenfalls in der Klinikaufhielten, wurde mir nicht nur viel Wissen vermittelt. Wenn wir gemeinsam, wie das bei Famulaturen und Blockpraktika so üblich ist, auf Dozenten oder Ärzte warteten, konnten wir uns etwas länger austauschen oder auch irgendeinen Unfug mit den Smartphones oder an der Tafel machen. So bekam ich beispielsweise eine Karte des Iran gezeichnet, wobei die Nachbarländer mit einer schnellen Zeichnung symbolisch dargestellt wurden. Afghanistan durch Osama Bin Laden und dem Totenkopf als Gefahrenzeichen. Pakistan ebenfalls durch einen Totenkopf und eine Kalaschnikow. Der Irak … richtig, durch einen Totenkopf und einen IS-Kämpfer. Zu Armenien fiel ihnen nicht viel ein und Turkmenistan bekam immerhin einen tanzenden Turkmenen als Symbol; und noch nicht mal einen Totenkopf.
Zwischendurch war es vonnöten den Stellplatz ein weiteres Mal
zu wechseln. Der Platzwart des Park & Ride im Zentrum musste uns des
Parkplatzes verweisen, da in direkter Nachbarschaft eine große Buchmesse stattfand
und jede Fläche benötigt wurde. Günstiger Weise begann gerade das lange Wochenende
für welches wir planten die Stadt zu verlassen und uns bei unserer Rückkehr in
die Stadt sowieso einen anderen Platz zu suchen, so dass es keinerlei
Beschwerden unsererseits gab. Obwohl wir es ihm zehnmal anboten, nahm der
Platzwart unsere Bezahlung nicht an, da es ihm wohl recht unangenehm war, uns
rauszuschmeißen.
So fuhren wir frohgemut nach Nordosten, um erneut frische
Luft zu schnappen und das verlängerte Wochenende (an dem Sonnabend nach Christi
Himmelfahrt war hier im Iran Mohammed Himmelfahrt) in schöner Umgebung zu
nutzen.
Sandra bekam von einem Arzt im Heart Center den Tipp in den „Jajerm“
Park zu fahren. Er solle nur etwa 70 km von Teheran entfernt und sehr schön
sein. Letzteres sollte sich bewahrheiten. Der Rest stimmte leider nicht. Der
Park heißt „Javarom“und ist etwa 200 km von Tehran entfernt. Bevor wir ihn
erreichten und fanden, mussten wir uns noch einen Schlafplatz an anderer Stelle
suchen. Dieser lag am Rande eines recht urwüchsig wirkenden Waldes. Das bewog
drei verschiedene Ortsansässige dazu, uns davor zu warnen, an dieser Stelle zu stehen.
Wir sollten lieber in ihr Dorf fahren, es wäre doch solche „khatar!“ (= Gefahr)
in dem „dschungel“ (= Wald). Welche Gefahr haben wir zum Glück nicht erfahren,
aber wahrscheinlich Wölfe, Tiger, Bären und anderes fleischfressendes Getier. Die
auffälligsten Tiere waren in der Nacht jedoch die aus voller Kehle singenden
Nachtigallen. Abgesehen davon blieben wir ungestört.
Am nächsten Tag konnten
wir unter vielem Nachfragen den oben genannten Park auffinden und wiederum mit
Hilfe einer Vielzahl von Menschen, den Parkwächter davon überzeugen, in
selbigem zu schlafen. Später kamen, wie erwähnt, Anette und Stefan noch dazu
und so konnten wir gemeinsam anderthalb Tage entspannen. Der Park war kein
wirklicher Geheimtipp, rund um die Uhr tummelten sich Massen von
picknickaffinen Iranern. Warum der Mann am Einlass so einen Terz wegen dem Übernachten
im Park machte, bleibt wohl sein Geheimnis – die ganze Nacht kamen und gingen
erwachsene und kindliche Iraner, schlugen ihr Zelt auf, grillten oder rauchten
Wasserpfeife. Das scheint mir weder für gefährliche Tiere noch für Räuber ein
geeignetes Ambiente zu sein.
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Idylle im Javarom-Park |
Zurück in Teheran richteten wir uns auf dem dritten
Stellplatz ein, dem Parkplatz des Imam Khomeini Mausoleums.Dieses befindet
sich, wie es der Ayatollah einst wünschte, an der Stelle,an der die Schwachen und
Entrechteten von Teheran leben – im Süden. Eigentlich steht es schon nicht mehr
in Teheran, sondern zwei Städte weiter. Aber da die U-Bahn bis dahin fährt,
schien es uns ein für unsere Zwecke geeigneter Ort zu sein. So wie es das auch
für sehr viele pendelnde oder heimatlose Teheraner ist.
Stefan und Anette brachten
an der Stelle schon viel Zeit zu und konnten berichten, dass die Iraner keinen
Pass bekommen, sollten sie den Wehrdienst verweigern. Ohne Pass bekommt man
jedoch keinen richtigen Job und keine richtige Wohnung. Und die ganzen
Mausoleen, die es so im Iran gibt, werden gerne als Heimat von - auf diese oder
andere Art- gestrandeten Bürger des Landes genutzt. Wir selber unterhielten uns
kurz mit einem burmesischen Flüchtling, der über drei Jahre bis in den Iran
floh. Er hofft bald am Ende der Flucht zu sein, wenn er einen Pass erhält und
dann nach Australien auswandern kann. Das ist schätzungsweise nur einer von
vielen. Und so fanden wir uns zwischen sehr vielen zeltenden oder direkt unter
freiem Himmel schlafenden Iranern wieder, hatten aber im Wesentlichen unsere
Ruhe. Und hatten erneut anderthalb Stunden Weg bis zum Krankenhaus. Also erneut
eine Woche, in der wir täglich 5:30 Uhr den Betten entstiegen. Für Teheran
keine ungewöhnliche Zeit: zu dieser Uhrzeit war an allen drei Stellplätzen, die
wir in Teheran hatten, schon ganz schön viel los.
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Das Imam Khomeini-Mausoleum |
Wir nutzten die Woche, um nun noch etwas von der Stadt
mitzubekommen, nachdem wir zuvor aus organisatorischen Gründen eher weniger zum
Sightseeing kamen.Ein Ziel war der Azadi Platz, auf dem das Wahrzeichen von
Tehran steht, der Azadi-Turm. Ein weiteres Ziel war das Museum für
Zeitgenössische Kunst, das uns eigentlich die größte derartige Sammlung
außerhalb Europas zeigen sollte.Hochkarätige Stücke, zum Beispiel von Picasso,
Jackson Pollock oder Miró. Die Werke wurden von der letzten Kaiserin gesammelt,
nach der Revolution 1979 jedoch als unislamisch bezeichnet und dementsprechend
nicht mehr gezeigt. Bis dann vor zehn Jahren festgestellt wurde, was da für
Schätze im Archiv lagen und man sich entschied, das Museum der Öffentlichkeit
wieder zugänglich zu machen. Gerade zu der Zeit unseres Besuchs wurden sie
jedoch wieder ins Archiv gesteckt, da gerade Grafikdesign-Wochen waren.Dementsprechend
konnten wir uns intensiv mit Firmenlogos und Corporate Designs aus den Ateliers
eines deutschen und eines australischen Künstlers auseinandersetzen. Die
Dauerausstellung sei jedoch erst wieder im Juli zu besichtigen. Das erfuhren
wir aber erst auf Nachfrage, nachdem wir bereits alle Räume inspiziert hatten
und uns nun wunderten, wo denn die Highlights zu finden seien.
Auch das
Nationalmuseum zeigte sich nur in halber Pracht. Es ist in zwei Häuser
unterteilt, eins für die vorislamische Zeit und eines für die islamische
Periode des Irans. Letzteres ist wohl schon seit Jahren geschlossen, das andere
wird zur Hälfte renoviert. Aber die Objekte waren dennoch sehenswert. Die Kunst
und Handwerksfertigkeit der alten Perser wurde uns deutlich vor Augen geführt
und erinnerten uns daran, was für eine alte und historisch große Kultur das
iranische Volk doch hat. Zeitgleich erfuhren dies auch drei Reisebus-Gruppen
deutscher und französischer Touristen, so dass wir Einiges von ihrer geführten
Tour mit halbem Ohr verfolgen konnten. Außerdem konnten wir einen interessierten
Blick darauf werfen, wie weit man in einer derartigen Tour den Hijab-Begriff
(die islamische Kleiderordnung) doch fassen kann – nicht jede Bluse hatte die
erforderliche Länge über das ganze Gesäß, auch ein knielanger Rock war zu sehen
und die Kopftücher haben häufig weder Nacken noch Hals bedeckt.
Genauso schwer,
wie wir Europäer uns tun, die Bekleidungsvorschriften anzuerkennen, genauso
schwer scheint es auch einigen Iranerinnen bezüglich unseres Kleidungsstils zu
fallen. Als Mohammed Reza Shah in den 70er Jahren das Kopftuch ganz verbat, gab
es wohl viele iranische Frauen, die sich die vier Jahre nicht aus dem Haus trauten,
denn mit Kopftuch durften sie nicht, ohne schämten sie sich.Eine Ärztin
erzählte Sandra, dass sie sich vermutlich in Deutschland mit der ganzen
kopftuchlosen Kleiderordnung nicht wohl fühlen würde. Natürlich ist es
schwierig so etwas gesetzlich festzuhalten und Zuwiderhandeln zu bestrafen.
Schließlich sind im privaten Bereich viele Iranerinnen nicht Hijab gekleidet
und auch Sandra ist froh, dass sie sich nach Verlassen des Landes wieder etwas
luftiger kleiden darf.Das Kopftuch jedoch nur als Symbol der Unterdrückung zu
sehen, was in Deutschland ein gängiger Gedanke zu sein scheint, wird der Sache
auch nicht gerecht.
In den nächsten Museen gab es gleich das nächste zum
Nachdenken. Wir schauten uns den Golestan-Palast an, der von den Qajaren Shahs,
also der Herrscher-Dynastie die von 1795 bis 1925 über den Iran herrschte,
erbaut wurde. In dem werden nun einige Reichtümer der Qajaren und Pahlavis
(letztere ist die Herrscherlinie von 1925 bis 1979, wo auch der letzte Shah,
Mohammed Reza, dazu gehört) ausgestellt. So konnten wir Prunksäle, marmorne
Throne, Uhren, Geschirr und ähnlichen Edelkram anschauen und das Teure und
Wertvolle kam wirklich nicht zu knapp. Am Folgetag begaben wir uns zu der
Zentralbank. In dieser befindet sich im Kellergeschoss das Juwelenmuseum.
Nachdem man die vier umfangreichen Sicherheitschecks passiert hat, konnte man -
unter strenger Beobachtung des Wachpersonals – einen Blick auf den Schmuck der
Shahs werfen. Und auch da gab es für jeglichen Prunk keine Grenzen mehr. So
viele Edelsteine und Perlen in so vielen Variationen, auf Schwertern, als
Ketten, Ringe, Throne oder auch mal als Globus, werden wir wohl unseren Lebtag
nicht mehr zu Gesicht bekommen. Die Herrscher wurden natürlich aus der ganzen
Welt beschenkt, aber waren auch selber erpicht darauf, Reichtümer anzuhäufen
und diese zu zeigen. Sicher ist das unter absoluten Herrschern nicht unüblich
gewesen.
Jedoch wird die Geschichte dadurch pikant, dass vor allem Nasreddin
Shah dieses prachtvolle Leben damit bezahlte, dass er praktisch den gesamten
Iran an das Ausland verkaufte. Vor allem Britische Unternehmen erhielten damals
die Konzessionen für beinahe Alles zum Spottpreis. Dem Land wurde auf diese Art
sehr viel Autonomie genommen. Es ist also nicht verwunderlich, dass es mit der
Zeit im Staate gewaltig gehrte. Die Menschen hatten die Nase von den
prunksüchtigen Herrschern voll und strebten außerdem nach Unabhängigkeit und
wollten als Nation ernst genommen werden. Nicht als Marionette des
Westens.Daher ist es nicht sehr verwunderlich, dass mit Khomeini einer als
Symbol des Widerstands verehrt wurde und wird, der so etwas wie die Antithese
zu den damaligen Herrschern darstellte: bescheiden, ernsthaft, radikale Abkehr
vom Westen.
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Golestan Palast |
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Im Nationalmuseum |
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Die Durchfahrt ist für Motorroller gesperrt, "rollstuhlgerecht" ist der Übergang dennoch |
An einem der letzten Nachmittage in Teheran, wagten wir uns
ganz weit in den Norden, der ja bereits am Hang der Berge liegt und erhielten
nun endlich auch mal eine Übersicht über die gewaltigen Ausmaße der Stadt, über
die Lawine von Häusern, die sich bis zum Horizont erstreckte.
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Skyline von Teheran. Häuser bis zum Horizont. |
Der letzte Tag der Famulatur sollte noch ein aufregender
werden. Eigentlich wollten wir nur die Bestätigungen abholen. Da jedoch unter
den Neurologen Uneinigkeit herrschte, wer nun das Blatt unterschreiben darf,
unterschrieb es vorsichtshalber keiner. Da die entsprechenden Klinikchefs
jedoch beide auf einer Konferenz waren, musste mit Hilfe sehr vieler Telefonate
und letztendlich eines Boten die Unterschrift herbei organisiert werden. Außerdem
hatten wir noch einen Termin zur Verabschiedung beim International Admission
Office und der entsprechenden Dame, die das Praktikum für uns organisierte. Sie
bat uns noch für den Podcast der Einrichtung ein Interview mit einer
Mitarbeiterin zu führen. Mit ihr unterhielten wir uns dann über Teheran, das
Reisen, die Famulatur, die Länder und die Erlebnisse, die uns so wiederfuhren.
Damit waren dann letztendlich alle Formalitäten erledigt und wir konnten unsere
Sachen packen und Teheran verlassen.
Nach zweieinhalb Wochen Teheran brachen wir Richtung Osten
auf, um auch diesen Teil des Landes ein wenig zu erkunden und auch, um in
Gorgan unser Visum verlängern zu lassen. Unser erster Monat Iran war schon so
gut wie rum…
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Sandsturm beim Verlassen von Teheran |
Wir nahmen die Autobahn in Richtung Mashad, die durch die
nördlichen Wüstenausläufer führt. Bei kuscheligen 38 Grad fuhren wir den ganzen
Tag durch karge Felslandschaften und Ebenen in denen nur noch 30 cm hohe
Büschelchen wuchsen. Von Norden her zog gen Abend ein Gewitter heran und hüllte
die Landschaft in Dunkelheit. Die Blitze begannen um uns herum zu zucken, aber
bis auf wenige Tropfen erreichte uns kein Regen. Die Nacht verbrachten wir an
einer Art Autobahnrastplatz, an welchem auch viele Einheimische für die Nacht
ihre Zelte aufschlugen. Dem Verantwortlichen des Platzes wäre es zwar lieber
gewesen, hätten wir eines der angebotenen Zimmer in der Moschee genommen, aber
wir blieben lieber in der Cloud Maschine statt die Nacht auf einem Teppich zu
verbringen. Über den Kommentar es könne in der Nacht kalt werden, konnten wir
aber wunderbar lachen. (Geschätzt kühlte es sich vielleicht auf 18 Grad ab…!)
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Autobahn nach Mashad |
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Den Märtyrern des Iran-Irak-Krieges wird gedacht |
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Hinweis vor einer Polizeistation am Rande der Schnellstraße |
Froh in der Nacht dann doch nicht erfroren zu sein, ging es
am nächsten Tag weiter durch die Wüste und hinter Mayamey weiter nach Norden, wo
uns hinter den ersten Bergketten der Golestan Nationalpark mit üppigem Urwald
erwartete. An der Straße gab es einen Platz zum Zelten, der bereits mit
picknickfreudigen Iranern gefüllt war. Diese verließen den Platz mehr und mehr
je später es wurde und ließen, wie scheinbar schon Generationen vor ihnen,
sämtlichen Müll der sich auftreiben ließ zurück. Die nicht halalen Bewohner des
Waldes fühlen sich dadurch so hingezogen zu diesem Ort, dass auch zu
Spitzenbesuchszeiten um die zwanzig ausgewachsene Wildschweine durch die
campingplatzähnliche Anlage sausen, sich fotografieren lassen, oder einfach die
liegengelassenen Plastebeutel durchstöbern. Sie scheinen gut gewöhnt an ihre
generösen Besucher.
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Der Golestan-Park: Das Paradies für Obelix |
Wir wanderten, genervt von der Schweinerei die die Iraner in
dem Nationalpark anrichten, ein Stück weiter hinein und kamen nach 500 Metern
an einen Fluss, an dem grade ein Wolf stand und trank. Zum Glück erschrak er
vor uns noch mehr als wir vor ihm und verschwand schnell zwischen den Bäumen.
Auf dem Weg am Fluss entlang konnten wir noch zwei Eisvögel beobachten und als
die Sonne unterging, kehrten wir zurück zu den Schweinen, um die Nacht zwischen
ihnen zu verbringen.
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Golestan Park. |
Der Wald und die Berge wandelten sich auf unserem weiteren
Weg zu flacheren Kornfeldern, auf denen schon die ersten Mähdrescher mit der
Ernte beschäftigt waren und zwischen denen wir ein weiteres Nachtlager und
einen entspannten Nachmittag fanden.
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Ein (fahrbares) Bett im Kornfeld. |
Langsam neigte sich unser Visum dem Ende zu und so sahen wir
am nächsten Tag zu, dass wir Gorgan erreichten, um ein Hostel mit Waschmaschine
und das Police Department for International Affairs zu finden. Die erste
Enttäuschung war das Hostel, denn es gab keine Waschmaschine, weder hier, noch
–laut Eigentümer- in irgendeiner anderen Unterkunft in Gorgan oder im Iran.
(Letzteres stimmt wohl nicht ganz, aber es gestaltet sich schwer, mal eine zu
finden.)
Die zweite Schwierigkeit ergab sich aus der Adresse des Police
Department, welche zwar in unserem Reiseführer benannt, aber nirgends eingezeichnet
war! Unter Benutzung sämtlicher technischer Endgeräte und unserem iranischen
Handy-Internet war auch nach einer halben Stunde im –etwas- aufgeheizten Bus
noch immer keine Wegbeschreibung in Sicht, als ein interessierter Iraner an
unserem Fenster klopfte. Nach der gewissenhaften Beantwortung der oft gestellten ersten Fragen konnten wir uns letztendlich über die Polizei-Adresse verständigen. Als
endlich klar war, was wir eigentlich wollten, lud er kurzerhand seine ebenfalls
anwesende Frau auf sein Moped und fuhr der Cloud Maschine bis zum Ziel voraus.
Die Straße in der die Tour endete war in keinem unserer Navigationsprogramme
verzeichnet, noch hatte sie ansatzweise denselben Namen, wie in unserem
Reiseführer. Aber jetzt waren wir gewappnet für den Verlängerungsantrag am
nächsten Tag.
Statt in dem waschmaschinenlosen Hostel zu übernachten,
fuhren wir in einen in der Nähe gelegenen Park, der ebenfalls auf Camper
ausgelegt war und funktionierten unsere Waschschüssel zur Waschmaschine um. Das
musste dann halt nach einem Monat ohne Waschmaschine mal sein… (Selbst in
Teheran gab es nur Reinigungen, die die Stückzahl berechneten, aber keinen
Waschsalon)
Auch hier blieben wir nicht lange allein und ein Busfahrer,
der im Park eine Pause einlegte, gesellte sich zu uns, um Fabi auszufragen, den
Bus zu inspizieren, lauter gute Tipps zum Thema Wäscheleine spannen und Wäsche
aufhängen abzugeben, seine Familie anzurufen, damit auch diese zu viert auf dem
Motorrad herbeigeilt kommen kann, um nochmal dieselben Fragen zu stellen und
uns interessiert und ungeniert beim unvermeidlichen Unterwäschewaschen
zuzuschauen. Wir waren beide froh, als sich endlich wieder alle auf den Weg
machten und wir uns nicht mehr ganz so fühlen mussten wie Affen im Zoo, was
hier leider, neben den vielen netten Begegnungen, auch häufiger vorkommt.
Mit der noch feuchten Wäsche, die auf einer wild gezogenen
Wäscheleine quer durch den ganzen Bus hing, begaben wir uns am nächsten Morgen
zur Visumsverlängerung. Als die einzigen Touristen wurden wir an allen anderen
Wartenden vorbei gewunken, direkt auf die Ledersessel des ersten
Verantwortlichen. Er schickte uns zur nahe gelegenen Bank und zum Kopieren
unserer Pässe, und empfing uns direkt wieder in seinem Büro, nachdem wir das
benötigte Geld in der Bank eingezahlt hatten. Er verlängerte ohne Probleme
unser Visum um weitere 31 Tage und auch die von uns befürchtete Befragung blieb
wegen mangelnder Sprachkenntnisse auf beiden Seiten aus. Der Oberoffizielle im
nächsten, ungefähr doppelt so großen Büro verpasste jedem unserer Pässe recht
genüsslich noch zwei Stempel und wir durften nach etwas über einer Stunde
wieder gehen, während die restlichen Wartenden kaum in der Reihe vorgerückt
waren.
Unser Weg brachte uns an diesem Tag noch durch die östlichen
Städte am kaspischen Meer, die vor allem durch den anstrengenden Verkehr in
unserer Erinnerung bleiben werden, bis in die Nähe des Damavand, den wir dann
am nächsten Tag mal aus der Nähe und ohne dicken Dunstschleier sehen konnten.
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Damavand von Nahem |
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Eine Eidechse von der Größe eines Unterarms |
In den letzten Tagen ging es weiter nach Süden, weil hier
die touristisch viel versprechenden Orte wie Esfahan und Shiraz liegen. Aber so
weit sind wir bisher noch nicht gekommen. Stattdessen haben wir auf dem Weg
Kashan besichtigt, welches für seine gut erhaltene Altstadt bekannt ist und mit
vielen alten, gutbürgerlichen Wohnhäusern und einem persischen Garten, der zum
UNESCO Weltkulturerbe zählt, aufwarten kann. Der Iran ist hier schon mehr, wie
wir ihn uns vorgestellt hatten. Die meisten Häuser haben Flachdächer oder
moscheeartige Kuppeln und sind größtenteils aus Lehmziegeln. In der staubigen
Hitze findet man immer mal wieder grün bepflanzte Innenhöfe. Und es riecht aus
vielen Läden nach dem hier hergestellten Rosenwasser, das man in 1,5
Literflaschen kaufen kann.
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Aga Bozorg-Moschee in Kashan |
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Tabatabei-Haus, Kashan |
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Im Tabatabei-Haus |
Der Wüstenbesuch bescherte uns aber nicht nur mit einem sehr
ruhigen Moment, sondern auch mit einem halben Kilo feinstem Sand, der sich
durch den Fahrtwind fein säuberlich im ganzen Bus verteilt hatte.
Die Putzaktion starteten wir auf dem Weg zwischen Kashan und
Esfahan, wo wir für zwei Nächte ein kleines Paradies fanden. Zwischen sandigen
Felsen verläuft nah an der Straße, kurz vor Natanz, einen schmalen Bach, der
seiner Umgebung gerade genug Wasser spendet um einen zwei Meter breiten
Grünstreifen rechts und links von sich am Leben zu erhalten. Danach geht das
frische Gras wieder in staubigen Sandboden über. Unterbrochen wurde die Idylle
höchsten von dem Polizisten der in der ersten Nacht nachts um eins an unsere
Tür klopfte um sich nach unserem Wohlbefinden zu erkundigen und herauszufinden,
wer wohl mit diesem Mobil unterwegs sein würde. Dass wir schon wunderbar
geschlafen hatten, überraschte ihn sehr… Aber er entließ uns nach einer kurzen
Befragung zurück in unsere Träume. Im Verlaufe unseres zweitägigen Aufenthaltes sollten wir noch zwei weitere Male von der Staatsmacht ins Visier genommen werden. Am heutigen Morgen sogar mit Passkontrolle und Durchschauen unserer Fotos. Notiz an uns selber: Nicht in geringer Distanz zu iranischen Atomanlagen campen....
Heute ging es weiter nach Isfahan. Zwischendurch war es mal wieder nötig, einen kurzen Tankstopp einzulegen. Diese gestalten sich für gewöhnlich recht unkompliziert. So begann es auch dieses Mal. Da Iran zwar eines der erdölreichsten Länder der Welt ist, jedoch kaum über eigene Raffinerien verfügt, muss Diesel und Benzin rationiert werden. Dies erfolgt mit Hilfe einer Tankkarte. Wir als Ausländer haben natürlich keine, aber für gewöhnlich können wir über die Karte der Tankstelle oder eines freundlichen Truckers tanken. Heute versuchten wir wieder letzteres und auch dieses Mal war der LKW-Fahrer gerne bereit uns ein paar Liter seiner Ration abzugeben. Da jedoch zwischendurch die Pumpe der Zapfsäule schlapp machte, tröpfelte der edle Stoff eher als dass er floss. Letztendlich wechselten wir die Zapfsäule, holten den Tankwart. Es brauchte eine viertel Stunde, eh das übliche Grande Finale erreicht war: Sprich, dass der Tank mit einem großen Schwall auf die Beine des Tankenden überläuft. Wir hatten bereits im Vorfeld besprochen, dass wir den doppelten Preis zahlen werden; durchaus üblich wenn man hier keine eigene Tankkarte dabei hat. Durch das häufige Neuansetzen des Stutzens wurden wahrscheinlich die Additionsfähigkeiten des Truckers an ihre Grenzen geführt und letztendlich sollten wir statt der 35 Liter die wir tankten, 50 Liter zahlen. Doppelter Preis, bei der Menge beschissen - was in Deutschland, einen in den finanziellen Ruin führen könnte, konnten wir hier locker begleichen. Wir rundeten noch lässig auf und überreichten feierlich drei 100'000 Rial-Scheine. Das sind umgerechnet etwa acht Euro.
Nun befinden wir uns in Isfahan und haben bereits den ersten kleinen Rundgang durchgeführt. Es ist schon eine schöne Stadt. Sehr grün und mit einem wirklichen historischen Stadtzentrum voller prachtvoller Bauten. Ein Student sprach uns an, ob er denn an uns nicht seine Englischkenntnisse üben könne. Also spazierten wir gemeinsam durch den Basar und unterhielten uns anschließend noch ein wenig auf dem Platz des Imam. Wir erklärten ihm woran man französische von deutschen Touristen unterscheidet, da er noch auf der Suche nach französischsprachigen Gesprächspartnern war. Uns erklärte er, dass derzeit die jährlichen schiitischen Festtage zur Erwartung der Wiederkehr des 12. Imam sind. Jener Imam Mahdi, der seit ungefähr 1000 Jahren in großer Verborgenheit lebt, wird wohl dann wiederkehren, wenn alle Menschen in Frieden leben. Und damit er weiß wo er hin gehen muss, entzünden die schiitischen Gläubigen bunte Lichter. Außerdem verschenken die Moscheen Essen und Trinken, so dass auch wir in den Genuss einer zuckersüßen Limonade und eines Eises kamen. Der Student erzählte noch ein wenig von seinen Schwierigkeiten eine mögliche Ehefrau zu finden, da die iranischen Mädchen wohl vor allem daran interessiert seien, dass ihr Zukünftiger reich ist. Er jedoch suche nach einer Seelenverwandten und keiner, die ihn nur für sein Geld mögen würde.
Manchmal bleibt uns nur, traurig mit den Schultern zu zucken. Aber unser neuer Bekannter wird sich wohl nicht von solchen Kleinigkeiten wie Ehefrauen aus der Bahn werfen lassen, denn er will im Iran bleiben um sein Land, vor allem die Regierung, zu verändern! Wir können ihm nur die Daumen drücken...
Zumindest hat er für sich selber beschlossen, auf eigene Faust nach einer Frau zu suchen. Statt wie hier durchaus noch üblich durch die Eltern ein Treffen mit der Familie irgendeines Mädchens arrangieren zu lassen, um dann nach einem kurzen Gespräch mit der Auserwählten ja oder nein zu einem gemeinsamen Leben zu sagen. Sein Cousin habe diese Prozedur schon 12 Mal hinter sich gebracht und es habe immer noch kein Mädchen zugestimmt. (Scheidungen sind hier übrigens auch mehr als üblich...)
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Platz des Imam in Isfahan |