Unser Versuch, den Kaukasus weiter zu entdecken und den
hohen Bergen näher zu kommen, ohne in Regionen zu gelangen die zu hoch und zu
kalt sind, gestaltete sich folgendermaßen:
Georgien besitzt ein angeblich wunderschönes Gebiet im
Gebirge, das unter Anderem im Winter als Skigebiet genutzt wird. Doch
abgeschreckt von den vorhergesagten nächtlichen Temperaturen entschieden wir
uns für die etwas tiefer gelegene Region um Lentekhi, die zwar "nur" von
Dreitausendern umgeben und touristisch kaum erschlossen ist, aber Nachts wenigstens
Temperaturen um die Null Grad versprach.
Um unserer Leidenschaft für das Internet entgegen zu kommen
und auch mit unserer Visa-Bewerbung für den Iran langsam Fortschritte zu
machen, mieteten wir uns in dem dorfeigenen Guest House ein. (Ein Haus, an dem
in der oberen Etage sowohl an Türen als auch Fenstern komplett auf Schlösser
oder andere Schließmechanismen verzichtet wurde, obwohl die Etage über eine
Außentreppe mit Veranda zu erreichen ist.)
Die Zeit verbrachten wir damit, zwei der nahegelegenen Berge
zu erkunden, indem wir den vorhandenen Feldwegen nach oben folgten. Als
Alpentourist reichlich verwöhnt von Wanderwegen und ausführlichen
Beschilderungen und Markierungen, stellt man hier sehr schnell fest, dass in
Lentekhi noch nicht ausreichend Wanderer vorbeigekommen sind, um im ganzen
Gebiet mehr als ein Hinweisschild zu platzieren. Doch die Schwerkraft half uns
oben von unten zu unterscheiden und so ging es jeweils erst einige Zeit bergauf
bis die Aussicht genossen werden konnten oder sich Wasser und Ausdauer zu Ende
neigten und dann wieder herunter.
Unsere Wirtin, überglücklich, jemanden bewirten zu können,
erprobte an uns ihr Englisch und die Kunden in dem ebenfalls zum Guest House gehörenden
Dorfladen fragten auf Deutsch nach unserem Befinden oder rezitierten auch schon
mal Zeilen aus Heines Lorelei. Deutsch in der Schule zu lernen war
anscheinend zumindest früher in Georgien weit verbreitet.
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Siesta in Lentekhi |
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Auf der ersten größeren Kaukasuswanderung |
Von unsere Straßenkarte etwas verblendet, fuhren wir nach
zwei Tagen noch weiter in das Tal hinein. Die als gelb markierte
„State Importance Road“ hörte leider schneller als gedacht auf, auch nur
ansatzweise asphaltiert zu sein und so wurde die Cloud-Machine auf der Suche
nach einem geeigneten Stellplatz wieder als Offroader missbraucht. Nach einer
viel zu lange andauernden nervenaufreibenden Fahrt im ersten und zweiten Gang
fanden wir endlich einen Ort, der unsere Ansprüche zufrieden stellte: Nicht
direkt neben der Straße, in der Nähe von fließendem Wasser und ein Stück ebene
Erde. Der Bus musste nur einen Feldweg herabrollen und eine größere
Schlammpfütze überwinden, danach konnten wir die warme Frühlingssonne genießen,
lesen, Haare schneiden (diesmal Fabi bei Sani; in Kas schon einmal anders
herum), Ukulele spielen und mit den nicht sehr detailgenauen
Touristeninformationskarten unsere Wandertour für den nächsten Tag planen.
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Die vielgerühmte "State Importance Road" |
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Ein Troubadour im Kaukasus |
Mit der Nacht setzte leichter Regen ein und dieser macht ja
bekanntlich trockene Erde zu schlammiger Erde… Nach einer erholsamen Nach mit
erschöpften Beinen machten wir uns wieder abfahrbereit, überwanden mit dem Bus
noch gekonnt die jetzt größer gewordene Pfütze und standen nun an der Auffahrt
zur Straße. Der unterste Abschnitt war in Kombination mit der aufgeweichten
Erde und den darunter liegenden glatten Steinen zu steil und jeder
Anfahrversuch endete mit durchdrehenden Reifen. Nachdem wir nach zwei Stunden
durch das Unterlegen von Hölzern,
Steinen und Türvorlegern ungefähr einen Meter von Zwanzig gut gemacht hatten
und der Türvorleger ruiniert war, mussten drastischere Maßnahmen ergriffen
werden:
Auf der viel befahren „State Importance Road“ kam genau in
dem Moment im Schneckentempo ein Jeep über die Schlaglöcher geholpert.
(Übrigens auch das einzige Auto in der nächsten halben Stunde) Von meinem
gequälten Gesicht scheinbar überzeugt, hielt der Fahrer, ein älterer Herr im
Sonntagsstaat, an und verstand durch die Imitation von durchdrehenden Reifen
sofort unser Problem. Nachdem er sich unsere Misere, etwas belustigt, genauer
besehen hatte, tätigte er ein Telefonat und unterhielt uns die nächsten zwanzig
Minuten mit Gesten und deutschen, englischen, russischen und georgischen
Sprachfetzen. Unsere Rettung traf in Form eines Pickups, beladen mit drei
Männern ein, die am Sonntagmittag für uns innerhalb kürzester Zeit 20
Kilometer, davon 10 km Holperstrecke, überwunden hatten. Die Cloud-Maschine
wurde innerhalb von einer Minute am Abschleppseil auf die Straße gezogen und
die Helfer verschwanden, schneller als sie gekommen waren, ohne mehr als ein
„Danke“ von uns anzunehmen.
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The Schlammloch of Destiny |
Plötzlich standen wir wieder allein auf der Straße, mussten
uns erstmal einen Moment sammeln und schafften es dann nur noch zurück bis zum
oben erwähnten Guest House in Lentekhi, um von dem Tag zu regenerieren.
Die 200 Straßenkilometer des darauffolgenden Tages brachten
uns in die Nähe von Gori, eine Stadt direkt südlich des 2008 umkämpften
Gebietes Südossetien, die damals auch bombadiert wurde. Doch nicht nur die
neuere Geschichte hat ihren Einfluss ausgeübt, sondern auch die etwas ältere:
Gori ist die Geburtsstadt Iosseb
Dschughaschwilis, uns besser bekannt als Josef Stalin. Im Zentrum erinnert
sein, unter einem Pavillon erhaltenes, Geburtshaus und ein daran
angeschlossenes Museum an den Sohn dieser Stadt.
Natürlich haben wir
das alles ausgekundschaftet und müssen leider etwas enttäuscht zusammenfassen,
dass sich seit der Errichtung des Museums zu Zeiten der Sowjetunion scheinbar
nicht viel verändert hat. Die Einrichtung führt durch das Leben eines großen,
guten Mannes. Es gibt vor allem Fotos, oft recht propagandistische Bilder mit
einzeiligen Beschriftungen; längere, erklärende Texte gibt es keine und alle
Zweizeiler gibt es nur auf Georgisch und Russisch. Das Museum wurde
eingerichtet, um einen Menschen zu verherrlichen. Kritik wird keine geübt.
Erst jetzt, bei der
nachträglichen Recherche fanden wir bei Wikipedia einen Eintrag, dass nach dem
russisch- georgischen Krieg angeblich eine Tafel vor dem Museum mit folgendem
Wortlaut angebracht wurde: "This museum is a falsification of history. It is a
typical example of Soviet propaganda and it attempts to legitimise the
bloodiest regime in history." Gesehen haben wir die Tafel allerdings
nicht.
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Gori in seiner ganzen Pracht und Herrlichkeit |
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Vor der Festung von Gori |
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'Tis but a scratch (Mahnmal für den 2008er Südossetien-Krieg) |
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Hintergrund: Stalinmuseum Mittelgrund: Stalins Geburtshaus Vordergrund: --- |
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Ausstellungsstück im Stalin-Museum |
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Souvenirs aus dem Stalin Museumsshop (Es gab auch Messer und Patronenhülsen mit Stalins Konterfei) |
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Der Waggon in dem Stalin unter Anderem zur Jalta-Konferenz reiste |
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Badezimmer im Stalin-Waggon |
Mit einigen neuen,
unbeantwortet gebliebenen Fragen zu Stalin im Kopf, machten wir uns auf den Weg
zum nächsten schlecht beschrifteten Museum… Uplistsikhe, eine Höhlenstadt die
bereits im 6. Jh. v.Chr. gegründet wurde und bis zu ihrer Zerstörung im 13.
Jahrhundert ein wichtiges Handelszentrum auf der Seidenstraße darstellte. Wir genossen den Blick über das unter uns
liegende Tal und kletterten über die Höhlenwohnungen, die vor allem durch ihre
Größe und Statik beeindrucken.
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Uplistsikhe |
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Sani in Uplistsikhe |
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Blick von Uplistsikhe auf das Mkvari-Tal |
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Halle in der Höhlenstadt |
Mit dem bevorstehenden
Osterwochenende nähern wir uns langsam der Hauptstadt und können uns
hoffentlich auf ein paar ruhige Feiertage freuen, da die georgisch-orthodoxe
Kirche die Auferstehung Christi erst eine Woche später feiert.
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Unser "versteckter" Stellplatz für die Nacht |