Mittwoch, 25. März 2015

Gamardschoba

Das Ankommen in Georgien, wie es im letzten Beitrag noch als schwerer dargestellt war, wurde uns zunehmend leichter. Einfach mal einen Tag Ruhe haben, die Zeit mit Lektüre über das zu bereisende Land füllen und schon fühlt man sich etwas angekommener. 



Es begann damit, dass wir noch einmal nach Zugdidi, wo wir zuvor bereits die positive Erfahrung mit der Touristeninformation machten, zurückkehrten und ein per Internet recherchiertes Hostel aufsuchen wollten. An der vermeintlichen Adresse angekommen, war von einem derartigen Etablissement aber nichts zu sehen. Die Nachfrage bei vor Ort befindlichen Einwohnern, führte natürlich mangels Sprachkenntnisse wieder zu großer Aufregung. Großes Gestikulieren, Wortfetzen aus allerlei Sprachen hallten durch die Straße, Telefone wurden bemüht und Menschen dazu gewunken, bis das Problem geklärt werden konnte und wir einem Auto folgen sollten, das uns zu der Adresse fährt. Da angekommen (wo wir ein paar Minuten vorher selber bereits waren) wurde an Türen geklopft, das Haus inspiziert, nur um dann bekümmert festzustellen, dass uns nicht geholfen werden konnte. Also wagten wir den erneuten Gang zur freundlichen Touristeninformation, wo erneut umgehend Telefone gezückt wurden und wir letztendlich persönlich (!) an Ort und Stelle begleitet wurden und mit der Guesthouse-Inhaberin verhandelt wurde, damit wir bloß schön unterkommen. 

Im Guesthouse
 Von da aus erkundeten wir, begleitet von feinstem Landregen, den Ort. Bewunderten den (montags geschlossenen) Dadiani-Palast. Die Dadiani-Familie herrschte bis ins 20. Jahrhundert über die Region und war durch Heirat sogar mit der Familie Napoleons verbunden. Der Palast wurde in ein Museum umgewandelt, nachdem Georgien Teil der Sowjetunion wurde.  Am Folgetag wollten wir uns diesen mal anschauen und ließen uns von einem sympathischen Guide die Ausstellungsstücke erläutern: Gemälde, Teeservices, Möbel und auch eine von drei weltweit existierenden Todesmasken von Napoleon Bonaparte. Sehr niedliche Sammlung, die uns von einem sichtlich aufgeregten Guide in Rekordzeit vorgestellt wurde.

Dadiani-Palast


Anschließend konnten wir uns noch den hiesigen Bazar anschauen, der ein lustiges Gewimmel ist und uns einen Einblick in das Angebot der georgischen Speisekammer offenbarte. Im Unterschied zum türkischen Basar wird man hier überwiegend von VerkäuferINNEN (!) auf das Angebot aufmerksam gemacht wurde, und überhaupt nehmen Frauen hier wieder mehr am öffentlichen Leben teil. (Nach den letzten Wochen in der Türkei wird das irgendwie von uns beiden positiv vermerkt: nach einer kurzen Rekapitulation fallen uns aus der Türkei (nach Istanbul) noch genau 5 Frauen ein, mit denen wir zumindest kurz gesprochen haben.)


Im Bazar von Zugdidi


Auslage eines Fleischers im Bazar

Kirche in Zugdidi


Zurück im Barock eingerichteten Guesthouse brachten wir uns via Internet und Reiseführer die komplizierte Geschichte der Georgen und Armenier näher, die von fast allen mal belagert waren: Osmanen, Byzantinern, Persern, Mongolen, Kirgisen, Russen, alle waren sie mal da. Zuletzt 2008 die russischen Armee, als ein Streit um Südossetien entbrannte, welches inzwischen abtrünnig und praktisch von der russischen Armee „gesichert“ ist. Kaum vorstellbar, dass vor gerade mal sechs Jahren hier noch überall im Lande Panzer standen. Auch der erneute Blick auf die Karte machte uns noch einmal klar, dass wir uns tags zuvor in Anaklia nur ein paar Kilometer von der Grenze zur ebenfalls abtrünnigen Republik Abchasien befanden. Vor Ort ist davon jedoch nichts zu merken.
Neben dem russisch-georgischen Krieg fiel uns zu Georgien ansonsten vor allem noch der Kaukasus ein: Eine Gebirgskette, höher und länger als die Alpen, die– trotz zunehmender touristischer Erschließung – noch recht urwüchsig dastehen soll. Wir sattelten unsere 115 Pferdestärken, um das kleine Dorf Skurij am Fuße des Gebirges aufzusuchen. Auf den letzten fünf Kilometern mussten wir allerdings eine regelrechte Offroad-Strecke, bestehend aus Schlaglöchern, tiefen Rinnen, Schotter und vereinzelten Resten von Asphalt, überwinden. Wir ließen uns auf einer willkürlich gewählten Wiese nieder. Die, erneut mit Händen, Füßen, Zeigewörterbuch und Sprachfetzen aus aller Herren Länder, getätigte Nachfrage bei den Nachbarinnen, bestätigte uns, dass es okay ist, mal zwei Tage da zu bleiben. Die weiteren Bewohner der Wiese – Pferde, Kühe und Schweine – schienen sich auch nicht großartig daran zu stören.

Traumparkplatz

Beim ersten Erkundungsspaziergang, besuchten wir die Ruine der Skurij-Kirche, die gerade im Wiederaufbau begriffen ist. Als der fortführende Weg an einem Hang abrupt endet, wollten wir die weitere Route erfragen und wurden erst einmal umgehend eingeladen. Das einfach Häuschen entpuppte sich als Kloster und die versammelte Bruderschaft (6 Mönche) plus Pilgergast, zeigten uns Bienen- und Fischzucht, sowie den Garten und luden uns spontan zu Wein, Kaffee, Suppe und Nudelsalat in die Küche ein. Nebenbei versuchten wir uns in einem babylonischen Sprachengewirr zu unterhalten. Dankbar und glücklich über die wunderbar nette Begegnung und das gute Essen, verabschiedeten wir uns von den freundlichen Ordensmenschen, um auf unseren idyllischen Wiesenstellplatz zurück zu kehren.



Die Mönche zeigen ihre Fischzucht

Der zweite Tag brachte uns auf einem Feldweg einen nahen Berg hinauf. Skurij ist jedoch noch zu weit im Tal, um an einem Tag die Baumgrenze zu überwinden und so blieb es mehr ein Waldspaziergang mit Steigung. Im Vergleich zum Autofahren aber einfach mal wunderbar. Unterbrochen wurde die Idylle nur von der Notwendigkeit einen Fluss zu queren, der durch die Schneeschmelze etwas tiefer war, als sicherlich im Sommer. Den Hinweg meisterten wir durch Schuhe ausziehen und durch das knietiefe Wasser waten, den Rückweg gestalteten wir abwechslungsreich als Kletterpartie. (Das Wasser war dann doch irgendwie sehr kalt gewesen…)

Die Flussquerung auf dem Rückweg



Mit dem einsetzenden Regen flüchteten wir am nächsten Tag nach Kutaissi, die zweitgrößte Stadt Georgiens. Hier gab es eine schöne Kathedrale, ein kulturhistorisches Museum und zwei Klöster zu entdecken. (An dieser Stelle sei noch einmal erwähnt, dass Georgien das zweite Land nach Armenien war, in dem das Christentum bereits im vierten Jahrhundert als Staatsreligion anerkannt wurde. – Falls sich jemand über das plötzlich hohe Aufkommen von Kirchen, Kathedralen und Klöstern wundern sollte) Während unseres Klosterbesuchs wohnten wir zufällig einem Teil einer georgisch-orthodoxen Messe bei und gaben uns für eine Weile den Chorälen und dem Weihrauchduft hin während wir still die alten Wandbemalungen betrachteten.


Blick auf Kutaissi


Die Bagrati-Kathedrale


Ein Baum am Baum im Park von Kutaissi

 Tschurtschchela (rechts) = Nusskerne in einer Traubensaftkuvertüre

Gelati-Kloster, teilweise sichtbar


Und auch wenn uns Kutaissi als Stadt eher grau und trist erschien, fanden wir nicht weit entfernt einen weiteren Reisehöhepunkt. Die Prometheus-Höhle, eine von mehreren Höhlen in diesem Landstrich voller Stalaktiten, Stalagmiten und Stalagnaten, aufgefüllt mit Klängen von Mozart und den buntesten Lichtinstallationen. Begleitet wurden wir von einer größeren Gruppe Männer verschiedener Altersgruppen. Fast alle besaßen ein Faible für Jogginghosen und schienen jedes Mal sehr amüsiert, wenn der Guide für uns Zwei alles noch einmal auf Englisch berichtete, was sie zuvor auf Georgisch erklärt hatte.







Der weitere Weg führte uns über in Regen und Nebel gehüllte Berge bis an einen Fluss, an dem wir drei, bis auf das Rauschen des Wassers und einiger weniger Autos, ungestörte Tage verbrachten und erfolgreich auf die Sonne warteten, um tiefer ins Gebirge zu fahren. Manchmal ist es schwierig auf Reisen einen Ort zu finden, an dem man sich wirklich wohl fühlt. Wir können nicht einfach an einen Ort fahren, von dem wir zur Abwechslung schon vorher wissen, dass er schön sein wird. Aber hier wurde das Suchen sehr belohnt.

Der zweite Traumparkplatz, beim Regen 
Der zweite Traumparkplatz, nach dem Regen