Das Ankommen in Georgien, wie es im letzten Beitrag noch als
schwerer dargestellt war, wurde uns zunehmend leichter. Einfach mal einen Tag
Ruhe haben, die Zeit mit Lektüre über das zu bereisende Land füllen und schon fühlt man sich etwas angekommener.
Es begann damit, dass wir noch einmal nach Zugdidi, wo wir
zuvor bereits die positive Erfahrung mit der Touristeninformation machten,
zurückkehrten und ein per Internet recherchiertes Hostel aufsuchen wollten. An
der vermeintlichen Adresse angekommen, war von einem derartigen Etablissement
aber nichts zu sehen. Die Nachfrage bei vor Ort befindlichen Einwohnern, führte
natürlich mangels Sprachkenntnisse wieder zu großer Aufregung. Großes
Gestikulieren, Wortfetzen aus allerlei Sprachen hallten durch die Straße,
Telefone wurden bemüht und Menschen dazu gewunken, bis das Problem geklärt
werden konnte und wir einem Auto folgen sollten, das uns zu der Adresse fährt.
Da angekommen (wo wir ein paar Minuten vorher selber bereits waren) wurde an
Türen geklopft, das Haus inspiziert, nur um dann bekümmert festzustellen, dass
uns nicht geholfen werden konnte. Also wagten wir den erneuten Gang zur
freundlichen Touristeninformation, wo erneut umgehend Telefone gezückt wurden
und wir letztendlich persönlich (!) an Ort und Stelle begleitet wurden und mit
der Guesthouse-Inhaberin verhandelt wurde, damit wir bloß schön unterkommen.
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Im Guesthouse |
Von da aus erkundeten wir, begleitet von feinstem Landregen,
den Ort. Bewunderten den (montags geschlossenen) Dadiani-Palast. Die Dadiani-Familie
herrschte bis ins 20. Jahrhundert über die Region und war durch Heirat sogar
mit der Familie Napoleons verbunden. Der Palast wurde in ein Museum
umgewandelt, nachdem Georgien Teil der Sowjetunion wurde. Am Folgetag wollten wir uns diesen mal
anschauen und ließen uns von einem sympathischen Guide die Ausstellungsstücke
erläutern: Gemälde, Teeservices, Möbel und auch eine von drei weltweit
existierenden Todesmasken von Napoleon Bonaparte. Sehr niedliche Sammlung, die
uns von einem sichtlich aufgeregten Guide in Rekordzeit vorgestellt wurde.
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Dadiani-Palast |
Anschließend konnten wir uns noch den hiesigen Bazar anschauen, der ein
lustiges Gewimmel ist und uns einen Einblick in das Angebot der georgischen
Speisekammer offenbarte. Im Unterschied zum türkischen Basar wird man hier
überwiegend von VerkäuferINNEN (!) auf das Angebot aufmerksam gemacht wurde,
und überhaupt nehmen Frauen hier wieder mehr am öffentlichen Leben teil. (Nach
den letzten Wochen in der Türkei wird das irgendwie von uns beiden positiv
vermerkt: nach einer kurzen Rekapitulation fallen uns aus der Türkei (nach
Istanbul) noch genau 5 Frauen ein, mit denen wir zumindest kurz gesprochen
haben.)
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Im Bazar von Zugdidi |
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Auslage eines Fleischers im Bazar |
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Kirche in Zugdidi |
Zurück im Barock eingerichteten Guesthouse brachten wir uns
via Internet und Reiseführer die komplizierte Geschichte der Georgen und Armenier
näher, die von fast allen mal belagert waren: Osmanen, Byzantinern, Persern,
Mongolen, Kirgisen, Russen, alle waren sie mal da. Zuletzt 2008 die russischen
Armee, als ein Streit um Südossetien entbrannte, welches inzwischen abtrünnig und
praktisch von der russischen Armee „gesichert“ ist. Kaum vorstellbar, dass vor
gerade mal sechs Jahren hier noch überall im Lande Panzer standen. Auch der
erneute Blick auf die Karte machte uns noch einmal klar, dass wir uns tags
zuvor in Anaklia nur ein paar Kilometer von der Grenze zur ebenfalls
abtrünnigen Republik Abchasien befanden. Vor Ort ist davon jedoch nichts zu
merken.
Neben dem russisch-georgischen Krieg fiel uns zu Georgien
ansonsten vor allem noch der Kaukasus ein: Eine Gebirgskette, höher und länger
als die Alpen, die– trotz zunehmender touristischer Erschließung – noch recht
urwüchsig dastehen soll. Wir sattelten unsere 115 Pferdestärken, um das kleine Dorf Skurij am Fuße des Gebirges aufzusuchen. Auf den letzten fünf Kilometern mussten wir allerdings eine regelrechte Offroad-Strecke, bestehend aus Schlaglöchern, tiefen Rinnen, Schotter und vereinzelten Resten von Asphalt, überwinden. Wir ließen uns auf einer willkürlich gewählten
Wiese nieder. Die, erneut mit Händen, Füßen, Zeigewörterbuch und Sprachfetzen
aus aller Herren Länder, getätigte Nachfrage bei den Nachbarinnen, bestätigte
uns, dass es okay ist, mal zwei Tage da zu bleiben. Die weiteren Bewohner der
Wiese – Pferde, Kühe und Schweine – schienen sich auch nicht großartig daran zu
stören.
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Traumparkplatz |
Beim ersten Erkundungsspaziergang, besuchten wir die Ruine
der Skurij-Kirche, die gerade im Wiederaufbau begriffen ist. Als der
fortführende Weg an einem Hang abrupt endet, wollten wir die weitere Route
erfragen und wurden erst einmal umgehend eingeladen. Das einfach Häuschen
entpuppte sich als Kloster und die versammelte Bruderschaft (6 Mönche) plus
Pilgergast, zeigten uns Bienen- und Fischzucht, sowie den Garten und luden uns
spontan zu Wein, Kaffee, Suppe und Nudelsalat in die Küche ein. Nebenbei
versuchten wir uns in einem babylonischen Sprachengewirr zu unterhalten.
Dankbar und glücklich über die wunderbar nette Begegnung und das gute Essen,
verabschiedeten wir uns von den freundlichen Ordensmenschen, um auf unseren
idyllischen Wiesenstellplatz zurück zu kehren.
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Die Mönche zeigen ihre Fischzucht |
Der zweite Tag brachte uns auf einem Feldweg einen nahen
Berg hinauf. Skurij ist jedoch noch zu weit im Tal, um an einem Tag die
Baumgrenze zu überwinden und so blieb es mehr ein Waldspaziergang mit Steigung.
Im Vergleich zum Autofahren aber einfach mal wunderbar. Unterbrochen wurde die
Idylle nur von der Notwendigkeit einen Fluss zu queren, der durch die
Schneeschmelze etwas tiefer war, als sicherlich im Sommer. Den Hinweg
meisterten wir durch Schuhe ausziehen und durch das knietiefe Wasser waten, den
Rückweg gestalteten wir abwechslungsreich als Kletterpartie. (Das Wasser war
dann doch irgendwie sehr kalt gewesen…)
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Die Flussquerung auf dem Rückweg |
Mit dem einsetzenden Regen flüchteten wir am nächsten Tag
nach Kutaissi, die zweitgrößte Stadt Georgiens. Hier gab es eine schöne Kathedrale,
ein kulturhistorisches Museum und zwei Klöster zu entdecken. (An dieser Stelle
sei noch einmal erwähnt, dass Georgien das zweite Land nach Armenien war, in
dem das Christentum bereits im vierten Jahrhundert als Staatsreligion anerkannt
wurde. – Falls sich jemand über das plötzlich hohe Aufkommen von Kirchen,
Kathedralen und Klöstern wundern sollte) Während unseres Klosterbesuchs wohnten
wir zufällig einem Teil einer georgisch-orthodoxen Messe bei und gaben uns für
eine Weile den Chorälen und dem Weihrauchduft hin während wir still die alten
Wandbemalungen betrachteten.
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Blick auf Kutaissi |
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Die Bagrati-Kathedrale |
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Ein Baum am Baum im Park von Kutaissi |
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Tschurtschchela (rechts) = Nusskerne in einer Traubensaftkuvertüre |
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Gelati-Kloster, teilweise sichtbar |
Und auch wenn uns Kutaissi als Stadt eher grau und trist
erschien, fanden wir nicht weit entfernt einen weiteren Reisehöhepunkt. Die
Prometheus-Höhle, eine von mehreren Höhlen in diesem Landstrich voller Stalaktiten,
Stalagmiten und Stalagnaten, aufgefüllt mit Klängen von Mozart und den
buntesten Lichtinstallationen. Begleitet wurden wir von einer größeren Gruppe
Männer verschiedener Altersgruppen. Fast alle besaßen ein Faible für
Jogginghosen und schienen jedes Mal sehr amüsiert, wenn der Guide für uns Zwei
alles noch einmal auf Englisch berichtete, was sie zuvor auf Georgisch erklärt
hatte.
Der weitere Weg führte uns über in Regen und Nebel gehüllte
Berge bis an einen Fluss, an dem wir drei, bis auf das Rauschen des Wassers und
einiger weniger Autos, ungestörte Tage verbrachten und erfolgreich auf die
Sonne warteten, um tiefer ins Gebirge zu fahren. Manchmal ist es schwierig auf
Reisen einen Ort zu finden, an dem man sich wirklich wohl fühlt. Wir können
nicht einfach an einen Ort fahren, von dem wir zur Abwechslung schon vorher
wissen, dass er schön sein wird. Aber hier wurde das Suchen sehr belohnt.
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Der zweite Traumparkplatz, beim Regen |
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Der zweite Traumparkplatz, nach dem Regen |