Mittwoch, 4. März 2015

Güzel

Der nächste Ort, den wir ansteuern wollten, nennt sich Kaş. Dies war die Empfehlung, die uns eine Ärztin aus Istanbul gab. Die kurze Internetrecherche schien vielversprechend und so machten wir uns auf den Weg. Von Fethiye aus mussten wir zunächst wieder durch malerische Berge fahren. Ein kurzer Moment des Innehaltens an einer Tankstelle führte umgehend dazu, dass der Werkstattbesitzer uns zwei Çay anreichte. Die zunächst selbstlose Geste erwies sich zwar später als Anknüpfungspunkt, uns eine Autowäsche zu verkaufen oder wenigstens etwas ‚Motorin‘ einzufüllen. Jedoch schenkten wir lieber Schokolade und fuhren mit halbsauberem und –vollem Auto von dannen. Die weitere Route belohnte uns mit praller Sonne, die vom stahlblauen Himmel ein türkisblaues Meer beschien, an dessen Rand eine aufregende Küstenstraße in den Fels gehauen wurde. Auf dieser entlangfahrend, die unendliche Weite des Ozeans sehend und mit heruntergelassenen Fenster kurzärmlig durch den Februar zu cruisen, ließ uns meinen, dass die Natur an diesem Tag und an dieser Stelle ein wenig angeben wollte.

Straße nach Kaş

In Kaş ankommend richteten wir zunächst Grüße der Istanbuler Ärztin am empfohlenen MoCamp aus. Aufgrund fehlender Caravan-Unterbringung fuhren wir dann jedoch einen anderen Campingplatz an, der uns mit allem reichlich belohnte, was das verwöhnte Camperherz so brauchen kann. Eh dies zu Nutzen kam, hieß es zunächst den Ort erkunden. Abgesehen von spektakulärer Lage, fielen die niedliche Marina, Palmen, Zitronen- und Wollseidenbäume auf. Schöne Klippen, herrliche Sicht. Aber keine eigentlichen Sehenswürdigkeiten. Die nächsten Tage genossen wir das feine Wetter und die Möglichkeiten des Zeltplatzes. Also wuschen die Wäsche und unsere dreckstarrenden Körper, die wir die Tage zuvor aufgrund fehlenden heißen Wassers eher verwittern ließen. Das nicht minder korrodierende Auto erhielt eine Ölkur, auf dass die Türen nicht mehr so quietschen. Die gar nicht mehr quietschende Hupe, wurde wieder dazu gebracht mit Pauken und Trompeten unser Kommen anzukündigen. Ansonsten hieß es Liegestühle raus - lecker Lektüre, Essen und Backgammon. Und die Seele heftig baumeln lassen. Uns gleich taten es ein Wanderpärchen (deutsch) und zwei Campärchen (türkisch, österreichisch), wobei der Herr Österreicher uns im Gespräch darauf hinwies, dass in der Region dies hiermit der furchtbarste Winter seit Menschengedenken sei: Manchmal muss man eben auch Glück haben.

Straße in Kaş

Kaş

Wollseidenbaum

Das könnt ihr erraten (eine Frühstücksüberraschung)

Chill-out-Zone

Die nächsten Tage in und um Antalya schienen das aber nicht gerade zu bestätigen. Der tatsächlich zunächst vorhandene Starkregen sorgte aber eher dafür dass unser Gefährt wieder glänzte wie am ersten Tag und wir somit die folgende Zeit in der prallen Sonne gut aussahen. Zunächst die Küstenstraße fortsetzend, die durch ihren enorm unsteten Verlauf fahrerisch recht aufregend war und den Rest eher im Format Highway, gurkten wir dem Ziel Antalya entgegen. Der Aufenthalt da erwies sich letztendlich abenteuerlicher als angenommen. Der Ursprung ist sicherlich mangelhafte Vorbereitung unsererseits. Da wir uns für den zu suchenden Zeltplatz aus dem Internet nur herausgesucht hatten, dass er auf der Lara-Straße sei. Diese Information als ausreichend betrachtend, wurden wir damit konfrontiert, dass selbige auf zehn Kilometer entlang des Strandes ausgewalzt wurde, und wir diese zehn Kilometer in kompletter Länge in beide Richtungen abfuhren, ohne auf das entsprechende Hinweisschild zum Campingplatz zu stoßen. Die Nachfrage in einer willkürlich gewählten Hotelrezeption eröffnete uns, dass die Straße sogar noch länger ist als gedacht und auf dem uns fehlenden Stück sollten wir dann fündig werden. Wurden wir auch. Allerdings war der Platz wegen Renovierungsarbeiten noch mindestens einen Monat geschlossen, wie uns der Nachtwächter offenbarte. Da die Frage, ob es noch einen weiteren Campingplatz gäbe aufgrund der Sprachbarriere schwierig zu verstehen war, wurde per Telefon ein des Englischen halbwegs mächtiger Freund hinzugezogen. Aufgrund der eher schlechten telefonischen Verbindung, kam er etwas später persönlich vorbei. In der Zwischenzeit wurden uns Çay, Stühle, Decken angeboten, der Dolmetscher brachte noch einen Freund mit und letztendlich parkten wir mit dem Auto einfach in unmittelbarer Nähe und der Abend endete damit, dass wir auf dem still gelegten Gelände gemeinsam am Meer grillten, tanzten und um das Feuer saßen und uns ein wenig kennenlernten.
Der Folgetag erforderte einen Blitzstart unsererseits, da sich direkt auf der Straße, auf der wir den Strand verlassen würden, ein Laufevent androhte, was natürlich eine radikale Straßensperrung verlangte und somit ein späteres Verlassen des Platzes unmöglich machen würde. Nachdem wir uns aber – quasi dampfende Kaffeetasse in der Hand – mobilisierten, war wenigstens das zeitige Erreichen des Antalyaschen Stadtkerns gesichert. Zumindest theoretisch. Praktisch durften wir die - in dieser Situation sehr unhandliche – Cloud Machine eine Zeitlang durch die schmalsten, niedrigsten und verwinkeltesten Gassen der Stadt schieben, da unsere Navigations-App uns irgendwo dazwischen einen freien Parkplatz versprach. Der selbstredend gesperrt war. Aber der Bezahlparkplatz in unmittelbare Nähe stellte sich später als sehr gute Wahl heraus.
Der Stadt wahrer Kern hinterließ einen durchwachsenen Eindruck. Sehr schön anzuschauen, mit einem lieblichen alten Hafen, einem toll erhalten Hadrianstor, wundervollen kleinen osmanischen Häuschen. Einem Blick auf die Bucht und die dahinterliegenden Berge, der einen niederknien lässt. Und viele Leute, die wissen, dass Leute wie wir sowas schön finden und uns form- und fachgerecht auf Deutsch ansprachen, ob wir nicht eine Bootstour machen, Gürtel, Sportbekleidung, Uhren, Tand, Nippes oder eine Mittagsspeise erwerben wollen. Und wenn sie sich unserer Herkunft nicht sicher waren, dieses nervige, in Istanbul massenhaft erlittene „Excuse me, yes?“ vor die Füße knallten und man kaum einen Schritt genießen konnte, ohne derartige Avancen abwehren zu müssen. Sicher ist das Teil eines großen Spiels, dem man sich halt an schönen Gegenden stellen muss, aber wir beherrschen es noch nicht. Und wenn man es nicht beherrscht, entstehen Situationen, die einem gründlich die Laune verderben können. So geschehen in Kaş, als uns im Park einer von Weitem bereits auf Deutsch ansprach und ehrlich erfreut schien, uns zu sehen und zu sich an die Bank bat, aber letztendlich nur auf unsere Spendenbereitschaft abklopfte. So geschehen in Istanbul, wo ein Schuhputzer als Dank für das Aufmerksammachen auf eine „versehentlich“ fallen gelassene Bürste, die Schuhe reinigte und dann ebenfalls eine Spende erwünschte. Einem vergleichbaren Trick konnten wir in Antalya beinah ausweichen, als wiederum ein Schuhputzer uns zunächst beschwichtigte, dass er nichts verkaufen wolle und nur kurz was zeigen und dann im nächsten Moment die Schuhe ungefragt bereits mit irgendeiner Schuhwichse bekleckst waren und der entsprechenden Reinigungsaktion sicher dann auch noch ein Spendenaufruf gefolgt wäre. In dem Fall konnten wir als erfahrene Touristen rechtzeitig entweichen, Vorsprung durch Wissen, wie es bei einem Autohersteller so schön heißt. Jedoch hinterlässt eine jede solche Erfahrung ein zunehmend tiefes Misstrauen gegenüber allen freundlichen Gesten, die einem ungefragt zu Teil werden. Umso erfreulicher wenn wie diese einfach nur das sind, was sie zu sein scheinen, wie an dem erwähnten Parkplatz in Antalya, wo wir vor der Abfahrt noch kurz die Landkarte unser nächstes Ziel orakeln ließen und uns von einem lächelnden Mädchen und der nicht minder lächelnden Parkplatzwächterfamilie einfach so Tee serviert und Stühle bereit gestellt wurden, damit wir angenehm Landkarte mit Handys abgleichen können. Die als unser Dankeschön zurückgeschenkte Schokolade wurde freudestrahlend und unter mehrfacher Danksagung angenommen und so trennten sich unsere Wege unter beidseitiger Zufriedenheit.

Lagerfeuergetanze zu türkischer Volksmusik

Straße in der Altstadt Antalyas

Hafen von Antalya

Wir fuhren noch ein paar Kilometer bis nach Kısılot, wo wir auf einem rudimentär ausgestatteten, aber durch direkte Meerlage unerreichbar gelegenen Stellplatz den Sommer im Winter genossen und am Kiesstrand ein kurzes Bad in den hereinbrechenden Wellen nahmen und noch ein vorerst letztes Mal, das türkise Meer, den blauen Himmel, das Rauschen der Wellen und die wohlige Wärme aufsogen und abspeicherten.

Denn die nächste Etappe sollte uns heute in das eigentliche, bergige und im Winter auch nicht äußerst warme Anatolien führen. Der Zielpunkt lautete Beyşehir und der Weg führte durch ein hochgebirgtes und verschneites Wunderland, mit schroffen, kargen Bergen, wenig Menschen, Temperaturen um den Gefrierpunkt und wahnsinnigen Aussichten in weite, tiefe Täler, die einen denken lassen, man sei bereits in der Mongolei, wahlweise auf dem Mond. Am Orte angekommen, besuchten wir umgehend die an norwegische Holzkirchen gemahnende Eşrefoğlu Camii, die eine der besterhaltendsten Holzmoscheen anatolischen Stiles ist. Und gemeinsam mit dem umgebenden Basar, der Koranschule und dem Hamam wohlgemerkt aus dem Jahre Zwölfhundertirgendwas. Wunderschön. Der Rest des Ortes scheint an sich nicht besonders, aber der Beyşehir-See ist schon wieder ein Traum in Türkis, allerdings mit größenwahnsinnigem Bergpanorama als Umrahmung. Die Innereien der Türkei sollen uns nun für die nächsten Tage beschäftigen, die Winterjacken dürfen also noch nicht weggepackt werden. Das Staunen über dieses schöne Land allerdings ebenfalls nicht.

Holzmoschee in Beyşehir: von außen

und von innen...