Der nächste Ort, den wir ansteuern wollten, nennt sich Kaş.
Dies war die Empfehlung, die uns eine Ärztin aus Istanbul gab. Die kurze
Internetrecherche schien vielversprechend und so machten wir uns auf den Weg.
Von Fethiye aus mussten wir zunächst wieder durch malerische Berge fahren.
Ein kurzer Moment des Innehaltens an einer Tankstelle führte umgehend dazu,
dass der Werkstattbesitzer uns zwei Çay anreichte. Die zunächst selbstlose
Geste erwies sich zwar später als Anknüpfungspunkt, uns eine Autowäsche zu
verkaufen oder wenigstens etwas ‚Motorin‘ einzufüllen. Jedoch schenkten wir
lieber Schokolade und fuhren mit halbsauberem und –vollem Auto von dannen. Die
weitere Route belohnte uns mit praller Sonne, die vom stahlblauen Himmel ein
türkisblaues Meer beschien, an dessen Rand eine aufregende Küstenstraße in den
Fels gehauen wurde. Auf dieser entlangfahrend, die unendliche Weite des Ozeans
sehend und mit heruntergelassenen Fenster kurzärmlig durch den Februar zu
cruisen, ließ uns meinen, dass die Natur an diesem Tag und an dieser Stelle ein
wenig angeben wollte.
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Straße nach Kaş |
In Kaş ankommend richteten wir zunächst Grüße der Istanbuler Ärztin am empfohlenen MoCamp aus. Aufgrund fehlender Caravan-Unterbringung fuhren wir dann jedoch einen anderen Campingplatz an, der uns mit allem reichlich belohnte, was das verwöhnte Camperherz so brauchen kann. Eh dies zu Nutzen kam, hieß es zunächst den Ort erkunden. Abgesehen von spektakulärer Lage, fielen die niedliche Marina, Palmen, Zitronen- und Wollseidenbäume auf. Schöne Klippen, herrliche Sicht. Aber keine eigentlichen Sehenswürdigkeiten. Die nächsten Tage genossen wir das feine Wetter und die Möglichkeiten des Zeltplatzes. Also wuschen die Wäsche und unsere dreckstarrenden Körper, die wir die Tage zuvor aufgrund fehlenden heißen Wassers eher verwittern ließen. Das nicht minder korrodierende Auto erhielt eine Ölkur, auf dass die Türen nicht mehr so quietschen. Die gar nicht mehr quietschende Hupe, wurde wieder dazu gebracht mit Pauken und Trompeten unser Kommen anzukündigen. Ansonsten hieß es Liegestühle raus - lecker Lektüre, Essen und Backgammon. Und die Seele heftig baumeln lassen. Uns gleich taten es ein Wanderpärchen (deutsch) und zwei Campärchen (türkisch, österreichisch), wobei der Herr Österreicher uns im Gespräch darauf hinwies, dass in der Region dies hiermit der furchtbarste Winter seit Menschengedenken sei: Manchmal muss man eben auch Glück haben.
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Straße in Kaş |
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Kaş |
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Wollseidenbaum |
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Das könnt ihr erraten (eine Frühstücksüberraschung) |
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Chill-out-Zone |
Die nächsten Tage in und um Antalya schienen das aber nicht
gerade zu bestätigen. Der tatsächlich zunächst vorhandene Starkregen sorgte
aber eher dafür dass unser Gefährt wieder glänzte wie am ersten Tag und wir
somit die folgende Zeit in der prallen Sonne gut aussahen. Zunächst die
Küstenstraße fortsetzend, die durch ihren enorm unsteten Verlauf fahrerisch
recht aufregend war und den Rest eher im Format Highway, gurkten wir dem Ziel
Antalya entgegen. Der Aufenthalt da erwies sich letztendlich abenteuerlicher
als angenommen. Der Ursprung ist sicherlich mangelhafte Vorbereitung
unsererseits. Da wir uns für den zu suchenden Zeltplatz aus dem Internet nur
herausgesucht hatten, dass er auf der Lara-Straße sei. Diese Information als
ausreichend betrachtend, wurden wir damit konfrontiert, dass selbige auf zehn
Kilometer entlang des Strandes ausgewalzt wurde, und wir diese zehn Kilometer
in kompletter Länge in beide Richtungen abfuhren, ohne auf das entsprechende
Hinweisschild zum Campingplatz zu stoßen. Die Nachfrage in einer willkürlich
gewählten Hotelrezeption eröffnete uns, dass die Straße sogar noch länger ist
als gedacht und auf dem uns fehlenden Stück sollten wir dann fündig werden.
Wurden wir auch. Allerdings war der Platz wegen Renovierungsarbeiten noch
mindestens einen Monat geschlossen, wie uns der Nachtwächter offenbarte. Da die
Frage, ob es noch einen weiteren Campingplatz gäbe aufgrund der Sprachbarriere
schwierig zu verstehen war, wurde per Telefon ein des Englischen halbwegs
mächtiger Freund hinzugezogen. Aufgrund der eher schlechten telefonischen
Verbindung, kam er etwas später persönlich vorbei. In der Zwischenzeit wurden
uns Çay, Stühle, Decken angeboten, der Dolmetscher brachte noch einen Freund
mit und letztendlich parkten wir mit dem Auto einfach in unmittelbarer Nähe und
der Abend endete damit, dass wir auf dem still gelegten Gelände gemeinsam am
Meer grillten, tanzten und um das Feuer saßen und uns ein wenig kennenlernten.
Der Folgetag erforderte einen Blitzstart unsererseits, da sich
direkt auf der Straße, auf der wir den Strand verlassen würden, ein Laufevent
androhte, was natürlich eine radikale Straßensperrung verlangte und somit ein späteres
Verlassen des Platzes unmöglich machen würde. Nachdem wir uns aber – quasi
dampfende Kaffeetasse in der Hand – mobilisierten, war wenigstens das zeitige
Erreichen des Antalyaschen Stadtkerns gesichert. Zumindest theoretisch.
Praktisch durften wir die - in dieser Situation sehr unhandliche – Cloud
Machine eine Zeitlang durch die schmalsten, niedrigsten und verwinkeltesten
Gassen der Stadt schieben, da unsere Navigations-App uns irgendwo dazwischen
einen freien Parkplatz versprach. Der selbstredend gesperrt war. Aber der
Bezahlparkplatz in unmittelbare Nähe stellte sich später als sehr gute Wahl
heraus.
Der Stadt wahrer Kern hinterließ einen durchwachsenen
Eindruck. Sehr schön anzuschauen, mit einem lieblichen alten Hafen, einem toll
erhalten Hadrianstor, wundervollen kleinen osmanischen Häuschen. Einem Blick
auf die Bucht und die dahinterliegenden Berge, der einen niederknien lässt. Und
viele Leute, die wissen, dass Leute wie wir sowas schön finden und uns form-
und fachgerecht auf Deutsch ansprachen, ob wir nicht eine Bootstour machen,
Gürtel, Sportbekleidung, Uhren, Tand, Nippes oder eine Mittagsspeise erwerben
wollen. Und wenn sie sich unserer Herkunft nicht sicher waren, dieses nervige,
in Istanbul massenhaft erlittene „Excuse me, yes?“ vor die Füße knallten und
man kaum einen Schritt genießen konnte, ohne derartige Avancen abwehren zu
müssen. Sicher ist das Teil eines großen Spiels, dem man sich halt an schönen
Gegenden stellen muss, aber wir beherrschen es noch nicht. Und wenn man es
nicht beherrscht, entstehen Situationen, die einem gründlich die Laune
verderben können. So geschehen in Kaş, als uns im Park einer von Weitem bereits
auf Deutsch ansprach und ehrlich erfreut schien, uns zu sehen und zu sich an
die Bank bat, aber letztendlich nur auf unsere Spendenbereitschaft abklopfte.
So geschehen in Istanbul, wo ein Schuhputzer als Dank für das Aufmerksammachen
auf eine „versehentlich“ fallen gelassene Bürste, die Schuhe reinigte und dann
ebenfalls eine Spende erwünschte. Einem vergleichbaren Trick konnten wir in
Antalya beinah ausweichen, als wiederum ein Schuhputzer uns zunächst
beschwichtigte, dass er nichts verkaufen wolle und nur kurz was zeigen und dann
im nächsten Moment die Schuhe ungefragt bereits mit irgendeiner Schuhwichse
bekleckst waren und der entsprechenden Reinigungsaktion sicher dann auch noch ein
Spendenaufruf gefolgt wäre. In dem Fall konnten wir als erfahrene Touristen
rechtzeitig entweichen, Vorsprung durch Wissen, wie es bei einem Autohersteller
so schön heißt. Jedoch hinterlässt eine jede solche Erfahrung ein zunehmend
tiefes Misstrauen gegenüber allen freundlichen Gesten, die einem ungefragt zu
Teil werden. Umso erfreulicher wenn wie diese einfach nur das sind, was sie zu
sein scheinen, wie an dem erwähnten Parkplatz in Antalya, wo wir vor der
Abfahrt noch kurz die Landkarte unser nächstes Ziel orakeln ließen und uns von
einem lächelnden Mädchen und der nicht minder lächelnden
Parkplatzwächterfamilie einfach so Tee serviert und Stühle bereit gestellt
wurden, damit wir angenehm Landkarte mit Handys abgleichen können. Die als
unser Dankeschön zurückgeschenkte Schokolade wurde freudestrahlend und unter
mehrfacher Danksagung angenommen und so trennten sich unsere Wege unter
beidseitiger Zufriedenheit.
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Lagerfeuergetanze zu türkischer Volksmusik |
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Straße in der Altstadt Antalyas |
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Hafen von Antalya |
Wir fuhren noch ein paar
Kilometer bis nach Kısılot, wo wir auf einem rudimentär ausgestatteten, aber
durch direkte Meerlage unerreichbar gelegenen Stellplatz den Sommer im Winter
genossen und am Kiesstrand ein kurzes Bad in den hereinbrechenden Wellen nahmen
und noch ein vorerst letztes Mal, das türkise Meer, den blauen Himmel, das
Rauschen der Wellen und die wohlige Wärme aufsogen und abspeicherten.
Denn die nächste Etappe
sollte uns heute in das eigentliche, bergige und im Winter auch nicht äußerst
warme Anatolien führen. Der Zielpunkt lautete Beyşehir und der Weg führte durch
ein hochgebirgtes und verschneites Wunderland, mit schroffen, kargen Bergen,
wenig Menschen, Temperaturen um den Gefrierpunkt und wahnsinnigen Aussichten in
weite, tiefe Täler, die einen denken lassen, man sei bereits in der Mongolei,
wahlweise auf dem Mond. Am Orte angekommen, besuchten wir umgehend die an norwegische
Holzkirchen gemahnende Eşrefoğlu Camii, die eine der besterhaltendsten
Holzmoscheen anatolischen Stiles ist. Und gemeinsam mit dem umgebenden Basar,
der Koranschule und dem Hamam wohlgemerkt aus dem Jahre Zwölfhundertirgendwas.
Wunderschön. Der Rest des Ortes scheint an sich nicht besonders, aber der Beyşehir-See
ist schon wieder ein Traum in Türkis, allerdings mit größenwahnsinnigem
Bergpanorama als Umrahmung. Die Innereien der Türkei sollen uns nun für die
nächsten Tage beschäftigen, die Winterjacken dürfen also noch nicht weggepackt
werden. Das Staunen über dieses schöne Land allerdings ebenfalls nicht.
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Holzmoschee in Beyşehir: von außen |
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und von innen... |