Samstag, 7. März 2015

Die Weite des Blicks



Beyşehir und seinen See hinter uns lassend brachen wir nach Konya auf. Anfänglich noch durch die Berge, um die Stadt am Anfang einer Ebene zu finden, die uns noch bis zum nächsten Tag begleiten sollte. Konya ist die fünfte Millionenstadt der Türkei die wir hier besuchten. An den Verkehr haben wir uns scheinbar recht gut gewöhnt mittlerweile, wir steuern die Cloudmachine mit viel mehr Ruhe durch den türkischen Verkehr, als noch in Istanbul. Dreispuriger Verkehr auf zweispurigen Straßen und Motoräder mit Fahrer, einer Frau im Damensitz dahinter, mit einem kleinen Kind auf dem Schoß und alle ohne Helm oder waghalsig bepackte LKWs entlocken uns zwar noch immer Laute des Staunens, bringen uns aber nicht mehr allzu sehr aus der Fassung. (Und bleibt man den großen Städten fern, erstreckt sich die Türkei bisher fast vollständig auf neuen, zweispurig ausgebauten Schnellstraßen und ebnet uns den Weg) 

Konya ist eng verknüpft mit dem Sufismus, der vor allem durch die tanzenden Derwische bei den Touristen einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt hat. Einen solchen spirituellen Tanz, mit dem sich die Mönche wohl in eine Art Ekstase versetzten und der hier seit einem Verbot durch Atatürk nur noch zu touristischen Zwecken vollzogen werden darf und in der Hinsicht auch so gut wie möglich ausgeschlachtet wird, haben wir zwar nicht gesehen. Dafür haben wir das Kloster in Konya besucht, in welchem früher Mönche des Mevlana-Ordens lebten und laut Museum auf einem Brett mit einem Nagel ihren Tanz, langes Drehen auf einer Stelle, probten. 

Blick aufs Mevlana-Kloster und angrenzende Moschee

Grab des Begründers des Mevlana-Ordens im Mevlana-Kloster

Darstellung der Tanzproben

Einkaufsstraße in Konya

Als wir die Stadt verließen, wurde es bereits dunkel. In der Abenddämmerung brachen wir in Richtung Aksaray auf, auf 1000 Höhenmetern breitete sich vor uns eine Hochebene aus, in der der Blick nur noch von den großen Werbeschildern am Straßenrand abgelenkt werden konnte und von den Bergen weit am Horizont. Jede Kurve wurde zu einem Erlebnis, weil sie die unerwartete Benutzung des Lenkrads gebot. 

Die Nacht verbrachten wir in Sultanhanı, im Vorgarten des Hauses eines Campingplatzbesitzers, der trotz geschlossenem Zeltplatz nicht auf Gäste verzichten wollte. Dessen Bad wir zumindest solange benutzen durften, solange er nicht schlief, (ungefähr bis 22 Uhr) der eine warme Dusche versprach und am Ende einen Eimer mit kaltem Wasser vorweisen konnte, ohne Internet, aber mit Strom und Frühstück. Und mit festen Ansichten über das Leben, Religion und Politik, die es uns bei Tee zu unterbreiten galt. 

Wieder um eine Erfahrung reicher brachen wir am nächsten Morgen zu einer im Ort gelegene Karawanserei aus dem 13. Jahrhundert auf. Auf den ersten Blick im gesamten Ort nur Männer auf der Straße, in den Restaurants und Läden, nach vier Querstraßen eine Frau mit Kopftuch und dann an der Karawanserei, mitten im Nirgendwo, wieder drei Touristenbusse. Also auch mal ein positiver Nebeneffekt: In der Masse untertauchen und sich weniger beobachtet fühlen! : )

Karawanserei in Sultanhanı

Überdachter Teil der Karawanserei (wurde im Winter genutzt)

offener Abschnitt der Karawanserei für den Sommerbetrieb
Straße nach Ihlara
Das Tagesziel Ihlara erreichten wir, nachdem wir den Rest der Ebene gekreuzt hatten. Am Rand, über den Wolken, einen der Vulkane im Blick, der vor vielen Jahrtausenden zum heutigen Aussehen der Gegend beitrug, erreichten wir plötzlich die Berge mit ihren faszinierenden Tuffsteingebilden. Wir besuchten in Ihlara das Peristrema Tal, welches über 50 Höhlenkirchen aus dem 11. und 12. Jahrhundert beherbergt, und wandelten dort am Fluss entlang durch die tiefe Schlucht.
Peristrema Tal
Höhlen im Peristrema Tal
gewagte Überquerung des reißenden Stroms
schwer beschädigte Wandmalereien in einer der Höhlenkirchen im Peristrema Tal
ehemalige Höhlenwohnungen bei Ihlara

Mit Göreme und unserem Stellplatz auf dem sicher nicht fehlbenannten Panorama-Camping, haben wir wohl gestern den Höhenpunkt Kappadokiens erreicht. Die Natur hat sich hier sichtlich ausgetobt und anschließend kamen noch die Menschen und haben die Situation so gut genutzt wie nur eben möglich. Durch das weiche Lava-Gestein konnte jeder Hügel ausgehöhlt und zu Häusern, Kirchen, Gräbern und Viehställen verwandelt werden.

Blick von der Terrasse unseres Zeltplatzes auf das Tal von Göreme
Tuffkegel

An anderer Stelle, wie zum Beispiel der unterirdischen Stadt Derinkuyu, die nur eine von Vielen in dieser Region ist, wurde der Untergrund effektiv genutzt indem über mehrere Stockwerke eine ganze Stadt in die Tiefe gebaut wurde. Mit ausgeklügelten Belüftungs- und Bewässerungsanlagen. Und vermutlich einem 9 Kilometer langen Verbindungstunnel ins Nachbardorf. Aus eigener Erfahrung können wir nun sagen, dass auch 55 Meter unter der Erde das Atmen in diesen alten, vermutlich noch vor dem 12.Jahrhundert erbauten Anlagen, noch recht entspannt ist, auch wenn der Blutdruck etwas verwirrt war, ganz zu schweigen von der geistigen Überwindung, dort durch die engen Gänge zu krabbeln. 

Aufstieg aus der unterirdischen Stadt
Im Moment sitzen wir aber wie gesagt weit oberhalb aller Höhlenwohnungen und Cave-Hotels und genießen die Aussicht. Gestern früh haben wir um halb sieben über 40 Heißluftballons dabei zugesehen, wie sie das Tal durchfuhren! Und manchmal ist es ganz unabhängig von der Aussicht auch einfach schön, morgens aufzuwachen und ganz entspannt in den Tag starten zu können, weil man einfach Nichts vorhat, außer die Weite des Blicks zu genießen.

Ballonflüge in Göreme